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Eindeutig Liebe - Roman

Eindeutig Liebe - Roman

Titel: Eindeutig Liebe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jessica Thompson
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hätte sich die ganze Welt gegen mich verschworen, schien mir dauernd jemand im Weg zu stehen. Schnorrer sprachen mich an und begannen mit ihren Spielchen, die einem Schuldgefühle einflößten, Zeitungsstände blockierten sämtliche Gehwege, und ständig war jemand mit einem dieser Rollkoffer vor mir und erschwerte mir so das Weiterkommen. Doch ich ließ mir von alldem nicht die Laune vermiesen.
    Die Menschenmenge klebte an mir wie Sirup, bis ich unsere Straße erreichte; dort zerteilte sie sich und gab den Weg frei. Aufgeregt überlegte ich, wie ich Dad die Neuigkeit beibringen sollte. Wie fing ich am besten an? »Also, Dad …« Ich hauchte es unhörbar, während ich die Straße entlangging. »Ich muss dir etwas sagen … Dad, ich bin befördert worden … Jetzt wird alles ganz anders für uns … Dad, ich habe es geschafft!« Ganz egal, wie ich es mir ausmalte, alles klang so schmalzig, und das war nicht so ganz mein Stil. Also beschloss ich, mir gar nichts zurechtzulegen und es einfach fließen zu lassen.
    Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, und kaum dass sich die Tür öffnete, begrüßte mich auch schon ein riesiger Strauß aus rosaroten und weißen Blumen, der auf dem Boden lag und mich anlachte; eine kleine Karte steckte darin. Sprachlos griff ich danach und öffnete den Umschlag. Die zittrige Handschrift erkannte ich sofort. Er musste ewig dafür gebraucht haben – aber woher wusste er Bescheid? Ich hatte ihm jedenfalls nichts gesagt. Ein dünner Kulistrich ging von einem Buchstaben ab; er musste mitten im Wort eingeschlafen sein. Der dritte Kuss war besonders krakelig.
    Für Dich, Sienna, mein Prachtmädchen!
    Ich bin stolzer auf Dich denn je. Wir sind eine Familie, Du und ich, so klein sie auch sein mag.
Danke, dass Du meine Welt bist.
    In Liebe,
Dad
xxx
    »Dad!«, rief ich mit erstickter Stimme. Dicke Tränen liefen mir über das Gesicht. »Vielen Dank! Ich freue mich so, du hast ja keine Ahnung …«
    Nick musste ihm etwas gesagt haben. Was für ein Schatz er doch ist, dachte ich, während ich eilig meine Schuhe von den Füßen kickte, dabei das Gleichgewicht verlor und fast unseren Garderobenständer umgerissen hätte. Ich konnte mich gerade noch an der Heizung festhalten. Puh! Schnell hob ich die Blumen auf und vergrub mein Gesicht darin; ein frischer, betäubender Duft stieg mir in die Nase. Ich stand eine Minute lang einfach nur da und nahm alles in mich auf, ehe ich wieder die Stimme erhob. So etwas Tolles passierte mir nicht allzu oft. Ich wollte den Augenblick festhalten und in meinem Kopf ein Foto davon machen, damit ich mich in schwierigeren Zeiten daran erinnern konnte.
    »Dad?«, versuchte ich es erneut. Schweigen. »Dad!«, rief ich noch lauter. Nichts. Wahrscheinlich schläft er, dachte ich lächelnd. Ich ging ins Wohnzimmer; dort war es ziemlich düster und so still, dass ich die Uhr so laut ticken hörte, als hielte sie jemand direkt an mein Ohr. Er lag sicher in seinem Zimmer und schlief. Hmm, dachte ich, das ist schade – ich platzte fast vor Vorfreude darauf, es ihm endlich sagen zu können. Ich beschloss, erst mal Tee aufzusetzen.
    Als ich die Küche betrat, entdeckte ich etwas, was mir komisch vorkam, aber nicht vollkommen außergewöhnlich war: Die untere Hälfte von Dads Beinen schaute auf dem Boden hinter der Küchentheke hervor. Zwei flauschige braune Pantoffeln und die Beine einer schwarzen Trainingshose. Mein Dad. Zwei rosarote Heliumballons trieben in der Luft und stießen immer wieder traurig gegen die Decke. Bomp. Bomp.
    Ich bekam weiche Knie. Ich konnte nicht hinsehen. Bitte nicht. Bitte! Ganz steif stand ich da, und mein Herz hämmerte in meiner Brust. Übelkeit stieg meine Kehle hinauf. Jetzt komm schon, Sienna, ermahnte ich mich streng. Das ist wahrscheinlich nur einer seiner üblichen Stürze, er ist wahrscheinlich ohnmächtig geworden. Ich warf einen Blick auf das Sofa. Sein Sturzhelm lag nutzlos auf einem Kissen und starrte mich an. Verdammt! Er hatte seinen Helm nicht getragen.
    Nur das leise Geräusch, das die Ballons machten, wenn sie gegen die Decke stießen, durchbrach immer wieder die Stille, die schwer auf dem Raum lastete; sie bewegten sich in dem kühlen Luftzug, der durch ein offenes Fenster hereinkam. Stille. Ruhe. Frieden.
    Ich holte tief Luft und machte einen Schritt nach vorn. Mein Vater lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Küchenboden. Meine Augen schienen das Bild näher heran- und dann wieder wegzuzoomen, und ich versuchte zu begreifen,

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