Eindeutig Liebe - Roman
hinweg sahen wir einen riesigen Riss in der Fensterscheibe, durch die man auf den Parkplatz sehen konnte.
Weil ich leicht besorgt war, dass Sienna sie entdecken könnte, versteckte ich meine Ideen lieber auf meinem Klemmbrett. Schließlich wollte ich nicht, dass Sienna mich für einen arschkriecherischen Loser hielt, der Angst hatte, gefeuert zu werden (aber genau das war ich zufällig).
»Also gut, Sie beide«, sagte Anthony wieder, schob einen bunten DIN-A4-Bilderrahmen beiseite und lehnte sich zurück, sodass sein übergroßer Bauch sichtbar wurde, der von großer Zufriedenheit zeugte. Ein Knopf an seiner Hose war aufgegangen und entblößte blasse Haut mit dicken schwarzen Haaren. Widerlich.
»Heute Nachmittag hat sich hier eindeutig irgendein Drama abgespielt«, begann er und betrachtete den riesigen Riss in der Scheibe hinter sich, dann runzelte er die Stirn und sah Sienna an. Ja, dachte ich, das ist wohl das Thema dieser Besprechung.
Sienna sank schuldbewusst auf ihrem Stuhl zusammen. Ich spürte, wie die Panik in mir hochstieg, während ich mir vorstellte, wie ich Formulare ausfüllte und mit ihr in einem Monat ein Mitarbeitergespräch führte, um herauszufinden, ob sie ihre Lektion gelernt hatte – oder wie auch immer man in solchen Fällen vorging.
Ant fuhr fort: »Aber abgesehen von dieser Sache, die inzwischen erledigt zu sein scheint, haben wir noch ein weiteres Problem. Tom hat sich heute Morgen krankgemeldet und kann nicht in die USA reisen.« Er rieb sich mit einer Hand das Kinn.
Ich lehnte mich zurück und sah die Treppe hinunter zu Toms Schreibtisch. Natürlich – den ganzen Morgen lang war sein Stuhl leer gewesen. Ich hatte angenommen, er wäre in einer Sitzung. Nun war ich ein bisschen sauer, weil das bedeuten konnte, dass die Reise abgeblasen wurde.
Aber, Augenblick mal. Wenn Sienna hinzugerufen wurde, konnte das nur bedeuten … Oh ja! Bitte, sag, dass es das heißt, was ich glaube, dass es heißen muss …
»Sienna, ich weiß, Sie sind noch relativ neu hier, aber ich glaube, Sie haben sich hinreichend eingearbeitet, und ich möchte, dass Sie bei diesem Projekt mit Nick zusammenarbeiten«, verkündete er.
Sienna errötete leicht und lächelte mich an, während sie die Teetasse auf Ants klobigem Holzschreibtisch abstellte.
»Sie werden die Artikel über die diesjährige Computerspielemesse in Florida für unsere zehnseitige Beilage in der Digimax schreiben. Nick ist für die Illustrationen und Fotos zuständig. Wie klingt das für Sie?«
Schweigen erfüllte den Raum, als unser beider Befürchtungen aus dem Fenster flogen und durch etwas absolut Wunderbares ersetzt wurden. Am liebsten hätte ich dieses Schweigen so gebrochen, wie es ein kleines Kind tun würde: Ich wollte in die Luft boxen, auf meinen Stuhl springen und meinem Boss vor Freude das Haar zerzausen. Der Mann, den ich bislang als fettes Hindernis auf dem Weg zu meinem Glück betrachtet hatte, schien es plötzlich wert zu sein, dass man eine Statue von ihm anfertigte und sie verehrte. Es war auf einmal nicht mehr so, dass er mich schikanierte, junge Frauen zum Weinen brachte und uns bis in die Nacht im Büro behielt, sondern er schickte mich mit einem der hübschesten Mädchen, die ich gesehen hatte, auf Geschäftsreise. Am liebsten wäre ich zu Sienna gerannt, hätte sie gepackt und wäre mit ihr ins Flugzeug gesprungen. Mein Kopf wurde plötzlich überflutet von Bildern, wie wir zusammen in einem Hotelbett aufwachten; es war so ein »Hoppla«-Augenblick, wie man sie aus Filmen kennt, so einer, wo alles sexy ist und gut ausgeht – und nicht in einem Desaster endet wie im wirklichen Leben.
Sienna wirkte geschmeichelt. Überwältigt. Sogar entzückt. Trotzdem brachten wir beide kein einziges Wort heraus.
Vielleicht würde ich während der Reise mit ihr ausgehen können. Zahllose Möglichkeiten schossen mir durch den Kopf, doch ich schimpfte sofort mit mir selbst, weil all das gegen meine neue Regel verstieß, die da lautete: »Kollegin + Beziehung = schlecht«.
»Ihr zwei seid heute nicht gerade in Plauderlaune, was?« Ant lachte leise und holte sich eine Dose Cola Light aus seinem Minikühlschrank. Das Aufschnappen des kalten Verschlusses durchbrach die verlegene Stille.
»Tut mir leid, das ist eine große Neuigkeit. Vielen Dank für Ihr Vertrauen. Und was da vorhin passiert ist – darüber möchte ich gleich noch mit Ihnen reden. Ich kann das alles erklären«, begann Sienna. Sie wirkte jetzt richtig nervös. Mir
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