Eindeutig Liebe - Roman
Hände durch den Türspalt und berührte meine Brust.
Diese Hände hatte ich einmal verehrt. Die linke hatte ich mir immer vor das Gesicht gehalten, wenn wir Fernsehen guckten, nur um sie an meiner Haut zu spüren und mir mit den Nägeln über die Lippen zu fahren. Doch jetzt wollte ich, dass sie so weit weg waren, wie es nur irgendwie ging.
Amelia war verkleidetes Gift; eine Barbiepuppe, bis oben hin mit Sprengstoff gefüllt. »Du solltest jetzt gehen«, wiederholte ich und trat einen Schritt zurück, sodass ihre Hand von mir abfiel.
Da kollabierte sie. Tränen tropften wie Schneeflocken aus ihren braunen Augen, während sie vor mir auf die Knie sank. Wellen aus kastanienbraunem Haar fielen ihr ins Gesicht, und sie stürzte mit einem dumpfen Schlag zu Boden.
Irgendwie tat sie mir leid. Ich blickte an ihrer bebenden kleinen Gestalt vorbei auf die Straße. Das Ganze war ganz schön peinlich. Wer wusste schon, was die Nachbarn daraus machen würden … Was mussten sie glauben, was ich ihr antat?
Ein Milchmann, der gerade vorbeikam, funkelte mich an. Kümmere dich um deine Angelegenheiten, du Kalzium-Kasper!, dachte ich.
Leise, aber bestimmt schloss ich die Tür vor ihr und ging durch den Flur zurück in die Küche. In einer Stunde musste ich zur Arbeit. Bis dahin war sie hoffentlich verschwunden.
Während ich mir Tee machte, war vor meinem Fenster hilfloses Schluchzen zu hören, also schaltete ich das Radio ein. Chris Moyles ist nicht gerade mein Lieblingszeitgenosse, aber im Augenblick war mir sein hirnloses Gefasel immer noch lieber als meine Exfreundin, die sich auf der Straße in die Hysterie hineinheulte.
Doch auch die Dusche konnte Amelia nicht wegspülen. Langsam tat es weh, das mit anzuhören, und trotz meines bitteren Zorns auf sie kam ich mir wie ein richtiger Bastard vor. Ich zog mich an, ging nach unten und ließ sie herein.
»Ach, danke, Nick. Bitte, hör mich nur an«, seufzte sie, während sie durch den Flur torkelte, als wäre sie betrunken.
Wir setzten uns an den Küchentisch, und sie fuhr mit den Fingern über das Tischtuch, das sie vor vielen Monaten einmal auf dem Portobello Market gekauft hatte. Ihre Nase war rosarot und geschwollen, ihre Augen waren blutunterlaufen. Sie hatte es verdorben. Sie hatte alles ruiniert.
»Pass auf, ich will nicht hören, wieso oder wie oder wann, und ganz bestimmt nicht wo …«, begann ich, aber sie unterbrach mich sofort.
»Es war bei ihm. Ich hätte es nie in unserem Haus getan, Nick«, stieß sie rasch hervor, als wäre damit alles in Ordnung. Das war es nicht, und ich glaubte ihr sowieso keine Sekunde.
Sie beugte sich zu mir vor. Ihre Schultern hingen herab, die Last ihres schlechten Gewissens drückte sie hinunter – und wie schwer die sein musste! Ich verzog das Gesicht, als ich sie mir mit Toby in einer schmutzigen, lustvollen Umarmung vorstellte, und knallte mit der rechten Faust auf den Tisch. Die Wut war stark und stieg schnell in mir hoch, krallte sich in meiner Kehle fest, drohte mich zu ersticken.
»Hör auf, ja? Ich habe eine andere kennengelernt. Nimm einfach deine Sachen – vergiss bloß nichts –, und verschwinde! Wirf deinen Schlüssel in den Briefkasten, wenn du fertig bist, ja? Ach, und die Radiohead-CD gehört mir!« Ich stand auf und stürmte aus dem Haus, ohne auf das Geschrei hinter mir zu achten. Ich knallte die Tür so fest zu, dass ich Angst hatte, das Glas könne zerspringen. Draußen merkte ich, dass meine Hände zitterten. Ich hatte so viel Adrenalin im Blut, dass ich gar nicht wusste, was ich mit mir anfangen sollte.
Natürlich hatte ich keine andere kennengelernt – naja, jedenfalls keine, die ich meine Freundin nennen konnte. Sicher, ich war Sienna begegnet, und sicher, es hatte mich ziemlich schwer erwischt, aber es wäre ein bisschen psychotisch von mir gewesen, anzunehmen, dass sie das Gleiche empfand, denn ich war mir ziemlich sicher, dass dem nicht so war. Trotzdem hatte ich es genau richtig gefunden, das zu behaupten.
Ich hoffte, dass Amelia genauso wütend auf mich war wie ich auf sie. Das wäre der beste Weg für mich, neu anzufangen.
Der Morgen war sonnig, und die Vögel zwitscherten; der Frühling strich mit sanften Fingern durch meine Welt und veränderte alles ringsum.
Meine Wut auf Amelia fiel von mir ab, als wäre ich eine Schlange, die sich aus ihrer alten Haut schält. Ich atmete tief durch und spürte die kühle Luft in meiner Brust. Ich wollte alles loswerden, alles zurücklassen und neu
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