Eindeutig Liebe - Roman
Welt, traute ich mir im Grunde nicht zu … na ja, gut genug zu sein.
»Reich mal rüber, du Warzenschwein«, witzelte sie und zog mir die Zigarre aus den Fingern.
Ich beobachtete, wie der Rauch von ihren Lippen stieg. Sie wirkte auf mich so rein, dass der Kontrast zwischen ihrem Gesicht und dem Rauch, der aus ihrem Mund kam, geradezu künstlerisch anmutete. Wenn ich ein Foto von diesem Augenblick gemacht und es in einer Galerie ausgestellt hätte, hätten alle es voller Verwunderung betrachtet. Wer war dieses Mädchen? Was war ihre Geschichte? Woher kam sie?
»Was hast du, Nick? Alles in Ordnung?« Sie wandte sich mir zu. Unsere Gesichter waren nur Millimeter voneinander entfernt, und ihr Atem roch süß. Es wäre der ideale Augenblick gewesen, sie zu küssen. Aber ich konnte es einfach nicht.
»Ja, alles prima, Mann, ich entspann mich großartig.«
Mann? Was für ein Mist. »Mann« nannte ich sie, wenn ich Angst hatte und einen Freund brauchte. »Mann« war nun wirklich nicht die Frau, nach der ich mich jeden einzelnen Tag sehnte, seit ich gesehen hatte, wie sie ihr Gesicht über den Rand einer Zeitung streckte.
»Gibt es momentan irgendwelche netten Mädchen in deinem Leben?«, fragte sie mich und wandte ihr zierliches Profil dem Mond zu, der wie von einer unsichtbaren Schnur gehalten am Himmel hing.
»Ja, ich denke schon …«, antwortete ich und ging geistig die Verabredungen durch, die ich in letzter Zeit gehabt hatte.
Doch eigentlich stimmte das nicht – so nett waren die gar nicht. Eine von ihnen hatte beim zweiten Date versucht, mich hinter einen Müllcontainer zu ziehen, um dort Sex zu haben. Eine andere hatte offensichtlich mehrere Freunde gleichzeitig und betrachtete mich als eine Art Spielzeug, was durchaus in Ordnung ging, mich aber auch nicht gerade in Liebe entflammen ließ.
Und dann gab es noch Kate … die schöne, leidende Kate. Als ich sie in jener Nacht in Brixton mit nach Hause nahm, hatte ich nicht geahnt, dass sie eine Art kaputte Puppe war. Eigentlich hatte ich nur einen One-Night-Stand gewollt, aber sie musste repariert werden und wollte, dass ich mich darum kümmerte. Mit Kate hatte ich in den letzten Monaten etwas gehabt, das einer ernsten Beziehung verdammt nahekam, aber ich konnte mich einfach nicht endgültig auf sie einlassen. Ich war es müde, ihr Gesicht zwischen den Händen zu halten und ihr zu versichern, dass sie wunderschön war, und ich war ihre tränenreichen Anrufe um drei Uhr morgens leid. Ich hätte unsere wilde Nacht als Vorzeichen sehen sollen: Die Verzweiflung unserer Leidenschaft hatte im Prinzip schon verraten, wie verletzlich wir beide waren. Damals hatte ich unter meinem Streit mit Sienna gelitten und die Ablenkung gebraucht, und Kate benötigte jemanden, der ihr wieder das Gefühl gab, schön zu sein. Das tat ich, und das wirkte auf sie wie eine Droge.
»Und wer ist das, Nick?« Ich spürte, wie sie sich anspannte; ihr musste kalt sein. Wir sprachen nicht oft über solche Dinge.
»Na ja, Kate ist schon süß, aber ich weiß nicht, ob ich die Dramatik noch lange ertrage. Ich habe zwar das Gefühl, dass sie mich ein wenig einengt, aber ich kann sie auch nicht einfach sich selbst überlassen. Dafür habe ich mich schon zu sehr auf sie eingelassen …« Ich verstummte, als mir klar wurde, dass ich mich ein bisschen wie ein Arschloch anhörte.
»Fühlt es sich falsch an?«, fragte sie sehr leise und zog sich den Mantel über die Knie.
Ich roch ihr Haar – ein wunderbarer Geruch, der mich an Äpfel denken ließ. »Nein, das glaube ich eigentlich nicht. Ich denke, ich mag die Vorstellung von ihr, aber die Realität ist einfach zu viel. Sie ist nicht meine feste Freundin, aber sie hat sich beinahe dazu gemacht. Mir kommt es vor, als hätte ich keine Wahl gehabt.«
Ich war überrascht, dass die Worte einfach so aus mir heraussprudelten. Wenn ich mit Sienna sprach, ordneten sich meine Gedankengänge, obwohl sie vorher noch in meinem Kopf herumgeschwommen waren wie das Alphabet in einer Buchstabensuppe.
»Ich glaube, du solltest dir mehr Mühe geben, Nick. Es könnte sein, dass sie dich braucht. Manchmal brauchen die Menschen einen, und es ist so furchteinflößend, dass man sie von sich wegschiebt, obwohl man ihnen eigentlich näherkommen möchte.« Sie sah mich an, und plötzlich spürte ich die Last der neuen Verantwortung schwer auf mir ruhen. Die Last einer Verantwortung, die ich bisher zu verleugnen versucht hatte, doch als Sienna mich jetzt darauf
Weitere Kostenlose Bücher