Eindeutig Liebe - Roman
ich unterkommen soll …« Seine Stimme versickerte, und er kaute schneller, während es immer heftiger regnete.
Wieder wünschte ich, ich hätte ihn mit zu uns nehmen können, aber das war einfach nicht möglich. Und obwohl ich mich mit Pete sehr gut unterhalten konnte, brachte ich es nicht über mich, ihm von meinem Vater zu erzählen. Er hatte auch so schon genug Sorgen; es schien mir nicht richtig zu sein, ihn auch noch mit fremden Problemen zu belasten. Gleichzeitig konnte ich ihm deshalb nicht erklären, weshalb ich ihm kein Dach über dem Kopf anbot. Mich bedrückte der Gedanke, er könne mich für selbstsüchtig oder für gleichgültig halten.
»Tut mir leid«, sagte er dann. »Ich sollte nicht so rumjammern, oder? Schließlich kannst du auch nichts daran ändern.«
»Ich wünschte, ich könnte es, Pete … Wir sehen uns bald.« Ich ging weg und dachte dabei darüber nach, wie unterschiedlich unsere Leben doch waren. Trotzdem trafen wir uns in der Mitte und fanden eine gemeinsame Basis. Selbst wenn sie nur aus einer Bank bestand.
Als ich hineinging, schlug mir die Wärme entgegen, und meine Kontaktlinsen rieben sich an meinen Augäpfeln wie Glasscherben.
»Sienna, Liebes, was hast du bloß da draußen in der Kälte mit diesem Mann gemacht?«, ertönte Sandras schrille Stimme. Die Telefone klingelten wie verrückt, aber sie beachtete sie gar nicht.
Ich mag es nicht, wie sie mich anredet: »Darling«, »Liebes«, »Kleines« – Sie kennen das. Sie erweckt damit den Eindruck, als wäre sie nett und mitfühlend, aber als ich in Schwierigkeiten geraten bin, hat sie keine Anstalten gemacht, mir zu helfen. Vielmehr hat sie mich gemeldet.
Ich traute ihr nicht, aber ich musste den Frieden wahren, also biss ich die Zähne zusammen und ließ mich auf den unvermeidlichen Small Talk ein.
»Wenn du so weitermachst, wirst du dich am Ende noch erkälten«, sagte sie und schloss den Satz mit einem rosaroten Perlmutteffekt-Schmollmund in meine Richtung. Mein Gott, was ging sie mir auf den Geist!
»Das ist schon okay. Ich habe mehrere Schichten an.« Ich lächelte wenig überzeugend und zupfte an meinem Topshop-Pullover, der offen gesagt kaum etwas gegen die Kälte ausrichtete. Er war eines dieser dünn gestrickten Dinger, bei denen die Ärmel bloß aus einer kunstvollen Aneinanderreihung von Löchern bestanden. Wie bei den meisten meiner Kleidungsstücke hatte ich mich auch in dieses bei einem Einkaufsbummel am Samstagmorgen verliebt, ohne einen Gedanken an seinen praktischen Nutzen zu verschwenden. Ein wenig erinnerte mich das an meinen Geschmack bei Männern.
»Na gut, Kleines, du musst es ja wissen.« Sie schenkte mir ein falsches Lächeln. »Übrigens, Nick hat das hier für dich hinterlassen.« Mit einem boshaften Ausdruck im Gesicht schob sie einen kleinen zusammengefalteten Zettel über die Glastheke.
Ich riss ihr das Papier aus den Fingern und nahm die Treppe nach oben. In der Stille des Korridors öffnete ich die Nachricht. Der Zettel wurde von einem kleinen Stück Tesa zusammengehalten, damit neugierige Augen nicht lasen, was darauf stand. Ich blieb stehen und spürte, wie mein Herz tanzte. Ich liebe seine Schrift.
Ich musste in eine Besprechung, Pinguin, und ich dachte, ich schreibe Dir kurz auf dem Weg nach draußen.
Was hältst du von einem Retro-Spieleabend heute?
Ich habe bei eBay einen Sega Mega Drive gekauft und freue mich schon darauf, die guten alten Zeiten wiederaufleben zu lassen.
Schick mir eine SMS!
Alles Gute,
Dein Lieblings-Nick
In meinem Leben gab es nur den einen Nick, aber selbst bei hundert verschiedenen wäre er der beste gewesen – das wussten wir beide.
»Pinguin« … das war allerdings neu.
Ein Videospieleabend würde wahrscheinlich Stunden voller ausgelassenem Gelächter bedeuten. Ich wusste, wie Nick war – er brachte mich ständig zum Lachen. Trotzdem war das hier etwas anderes. Das Briefchen war so geradeheraus, so anders … Plötzlich war ich wirklich aufgeregt, und ein Grinsen breitete sich in meinem Gesicht aus. Ich hatte den Jackpot geknackt – ich wusste, was das bedeutete. Ich war noch nie bei ihm zu Hause gewesen, und diese Nachricht war so persönlich. Vielleicht würde am Ende doch noch etwas passieren …
Was zum Teufel sollte ich bloß anziehen? Hatte ich mir die Beine rasiert? Hatte ich überhaupt Zeit, mir die Beine zu rasieren? Scheiße, Scheiße. Scheiße! Ich riss mein Handy aus der Tasche und schrieb ihm, dass ich um acht bei ihm sein
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