Eindeutig Liebe - Roman
würde.
Nick
Die Ankunft dieses Pakets hatte ich so sehnsüchtig erwartet, als enthielte es ein lebenswichtiges Spenderorgan. Vor Aufregung war ich völlig aus dem Häuschen. Der Sega Mega Drive: die Geißel meiner Studentenzeit. Nacht für Nacht hatte ich vor dem Ding verbracht und an nichts anderes gedacht, während die Abgabetermine an mir vorbeizogen. Das war eine tolle Zeit gewesen.
Irgendwie schaffte ich es trotzdem, das College ohne verkrüppelte Daumen, dafür aber mit der Bestnote in Klassischer Literatur und der Fähigkeit, mich von fünf Pfund eine Woche lang zu ernähren, hinter mich zu bringen. Zum Glück überwand ich meine Besessenheit, bevor ich mein Masterstudium als Grafikdesigner begann.
Doch jetzt hielt ich die schwarze Konsole wieder in den Händen, befühlte die vertrauten Kurven des Plastikgehäuses. Es war simpel. Simpel und klotzig, und ich liebte es. Die Konsole hatte nur zwei rote Knöpfe und einen großen Schlitz in der Oberseite, wo die Spielkassette eingesetzt wurde. Die modernen Konsolen hingegen kochen einem Tee und wischen einem gleichzeitig noch den Hintern ab.
Das Beste war jedoch, dass Sienna vorbeikommen würde, und ich konnte es kaum erwarten. Vor Monaten, bei der Computerspielemesse, hatten wir über die Konsole geredet. Als ich einundzwanzig gewesen war und Pixelfeinde in Street Fighter verkloppte, war sie ein Teenager gewesen und in Donkey Kong von einer Plattform zur anderen gesprungen. Es war einfach perfekt.
In ein paar Minuten würde sie da sein, also stellte ich das chinesische Essen, das ich bestellt hatte, auf den Tisch. Sie aß am liebsten Rindfleisch in Streifen, ich Hühnchen süßsauer. Weil ich wusste, dass sie auch von meinem Menü essen würde, hatte ich extra zwei Portionen kommen lassen.
Da klopfte es leise dreimal an der Tür. Als ich sie hereinließ, strömte die kalte Nachtluft in den Flur.
»Sienna!«, rief ich, als wäre ich überrascht, sie zu sehen, nahm sie ihn die Arme und drückte sie fest an mich. Sie verschwand fast in ihrem trendigen Wintermantel. Dann warf sie ihn ab und eilte in die Küche. Es war, als hätte ich plötzlich einen Miniwirbelwind in der Wohnung. Ich konnte nie ganz mit ihr Schritt halten.
»Jawohl! Den mag ich am liebsten!«, rief sie und hob die große Flasche Apfelwein, die ich für uns besorgt hatte, in die Luft. Wir trugen die Sachen ins Wohnzimmer, zogen die Vorhänge zu und schlossen die Welt aus. Jetzt gab es nur noch mich und meine Lieblingsfrau.
Eine winzige Lampe brannte in der Wohnzimmerecke, mehr Licht brauchten wir nicht. Der Fernseher flackerte grellbläulich, während er darauf wartete, dass es losging.
»Ich hoffe, deinem Vater geht es heute gut?«, erkundigte ich mich und zerriss die Verpackung einer Tüte Krabbenchips, deren Inhalt sich prompt über den ganzen Teppich verteilte.
»Ja, Nick, ihm geht es gut. Ich glaube, er war ganz froh, dass ich ausgehe und ihm ein bisschen seine Ruhe lasse.« Während sie sprach, straffte sich ihr Körper. Unser Streit stand ihr offenbar noch vor Augen. Sie begann, sich eine Gabel Essen nach der anderen in den Mund zu stopfen. Sie kann ganz schön reinhauen. Ich mag das an ihr.
Ich öffnete den Apfelwein und schenkte uns ein. Die kühle Flüssigkeit ließ die Außenseiten der Gläser sofort beschlagen. Ich wusste nicht, was ich tun sollte – trinken, essen oder Sienna sagen, was ich für sie empfand. (Wobei ich mich sowieso fragte, ob ich den Mut für Letzteres überhaupt zusammenbekäme.) Es war wundervoll.
»Nick, ich habe neulich wieder mit Pete gesprochen, du weißt schon …«
»Wer ist Pete?«
»Der Obdachlose, der immer auf der Bank auf unserem Parkplatz sitzt.«
»Was redest du denn immer mit ihm, Si? Du wärst seinetwegen schon einmal fast in ernsthafte Schwierigkeiten geraten.«
»Ich weiß, ich weiß. Aber jetzt habe ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn nicht eingeladen habe, eine Weile bei mir und Dad zu wohnen. Darüber denke ich schon sehr lange nach.«
Plötzlich hatte ich große Achtung vor ihr. Neben mir saß eine junge Frau Anfang zwanzig, die in ihrem Herzen mehr Platz für andere Menschen hatte als irgendjemand sonst, den ich kannte. Dabei kümmerte sie sich bereits um ihren kranken Vater und sollte sich keine Gedanken darüber machen, wie sie auch noch anderen helfen könnte. Sie stand so sehr im Einklang mit der Welt und war für ihr Alter so erwachsen, dass es mir ein wenig Angst machte. Trotzdem fand ich, dass ihre Idee ein wenig
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