Eindeutig Liebe - Roman
und nahm eine Reihe von Kaffeebechern aus dem Schrank.
»Geht heute nicht, tut mir sehr leid, Alter«, erwiderte ich und nahm mir den grünen Becher. Ich mochte ihn. Er war ein Geschenk von Siennas Vater.
Tom warf aus einiger Entfernung Teebeutel in die Tassen und verfehlte die meisten.
»Meeting?«, fragte er.
»Nein.«
»Einen runterholen?«
»Nein.«
»Mal richtig ausscheißen?«
»Nein.«
»Zum Arzt?«
»Nein.«
»Neues Mädchen?« Das war seine letzte Idee, mit der er den Nagel auf den Kopf traf.
»Nein.«
»Ach, komm schon. Es muss ein Mädchen sein«, bohrte er nach und fuhr sich mit einer knochigen Hand durch das schlaffe Haar, das bald sein komplettes Gesicht umhüllen würde, wenn er nicht achtgab.
»Nein, überhaupt nicht. Eigentlich möchte ich nur ein bisschen Ruhe haben und nicht schon wieder den Babysitter für dich spielen. Übrigens – wo wir gerade von Mädchen reden –, hast du diese Fiona, oder wie sie heißt, eigentlich schon endgültig vergrault?« Ich stach ihn vorsichtig mit einer Gabel in die Seite.
Er zuckte zurück. »Nein, Nick. Es läuft eigentlich sogar ziemlich gut«, antwortete er und verließ die Teeküche mit einem offenen Schnürsenkel. Er war schon ein komischer Kerl.
Ich nahm die Zuckertüte aus dem untersten Fach und füllte seinen Teebecher zu drei Vierteln mit Zucker, dann tarnte ich ihn mit einem Teebeutel, Milch und einem bisschen Wasser. Tom würde sich sicher freuen.
Ein paar Minuten später brachte ich ihm das klebrig süße Gebräu an den Platz. »Da, bitte, Kumpel«, sagte ich, wobei ich aufpassen musste, dass ich den schweren Becher nicht zu heftig auf die Schreibtischplatte knallte.
»Danke, Nick«, entgegnete er, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen.
Ich trollte mich in mein Büro.
Ein paar Sekunden später hörte ich einen Schrei und einen lauten Rumms, der sich genau nach einem Teebecher voller Zucker anhörte, der auf einen Holztisch geknallt wird.
»Okay, das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt!«, brüllte er und stürmte in mein Büro. Er konnte schon jetzt nicht mehr vor Lachen.
»Das, Nick, ist für dich.« Er ließ den Arm vorschnellen. Ein Wasserschwall klatschte auf mich herab, bedeckte mein Gesicht, meine Haare, mein T-Shirt und vor allem meinen Schoß. Ich hatte nicht einmal Zeit, auszuweichen. Dieser freche Hund …
Tom stand vor mir, einen Plastikbecher in der Hand, in dem sich deutlich weniger Wasser befand als noch vor einigen Sekunden. In seinem Gesicht stand ein Ausdruck ungeminderter Freude, ein Lächeln, das Erschrecken, Vergnügen und Angst zugleich ausdrückte. So, als könnte er kaum glauben, dass er es wirklich getan hatte. Es war ein wenig wie an jenem Tag, an dem man sich zum ersten Mal gegen den Schulschläger wehrt – allerdings hatte ich damals im Sportumkleideraum einen Faustschlag gegen die Zähne bekommen, ehe ich überhaupt die Gelegenheit hatte zu grinsen.
Er hatte sich von mir eine Zeit lang echt einiges bieten lassen, das musste man zugunsten des Jungen sagen. Trotzdem war es gut, dass Ant zu einer Besprechung außer Haus war, denn so unprofessionell er selbst auch sein konnte, ich bezweifle, dass er von der Überschwemmung in meinem Büro wirklich begeistert gewesen wäre.
Inzwischen hatte sich eine kleine Menschenmenge vor meiner Bürotür versammelt, und man hörte überall nervöses Kichern.
»Tolle Retourkutsche, Tom.« Ich stand auf und schüttelte ihm die Hand. Er wirkte extrem nervös. Dann hob ich meinen Papierkorb in die Luft und leerte ihn über seinem Kopf aus. Papier flatterte auf den Boden, und eine Bananenschale baumelte auf seiner Nase. Na, das war doch schon besser!
Sienna
»Also gut, bist du sicher, dass du dazu bereit bist?«
Pete stand vor mir, seine Hände auf meinen Schultern. Der Bart an seinem Kinn war schnell dichter geworden. In der Unterlippe hatte er einen Schnitt von dem Versuch, die Plastikummantelung des Vorhängeschlosses aufzubeißen, das er für seinen Rucksack bekommen hatte. Er sah aus, als hätte er eine Schlägerei hinter sich.
»Ja, bin ich. Bereiter werde ich nicht mehr. Und ich habe heute zwei Stunden Mittagspause, also keine Hetze.« Ich ging los und zog an seinem Arm, bis er sich bei mir einhakte.
Dieser Sommer war sehr heiß, und ich hoffte, dass Pete es dadurch ein bisschen leichter hatte. Er sagte, die meisten Nächte verbringe er unter dem größten Baum seines Lieblingsparks in Balham, zusammen mit seinen Lieblingsbüchern von Dan
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