Eine Ahnung vom Anfang
tatsächlich bereit seien, für das Gebäude mit dem reparaturbedürftigen Schindeldach, in das es an mehreren Stellen hineinregnete, und die halb verfallenen Ställe etwas zu zahlen. Die alten Besitzer waren hinausgestorben, die jungen längst woandershin gezogen, und es hatte sich jahrelang kein Käufer gefunden, obwohl bis zuletzt ein Verkaufsschild am Gartentor hing, was allein schon den neu Einziehenden Aufmerksamkeit garantierte.
An einem Sommertag waren sie plötzlich erschienen, in einem großen Kombi mit abgedunkelten Scheiben, der fast lautlos dahergerollt kam und, die Alarmblinker an, vor dem Eingang stehenblieb. Es dauerte eine Weile, als wollten sie es sich noch einmal überlegen, aber schon stiegen sie einer nach dem anderen aus, der Reverend, wie er später von allen genannt wurde, in seinem schwarzen Anzug, ohne den man ihn nie sehen würde, die Frau angeblich mit Kopftuch und Sonnenbrille und die drei Mädchen nicht weiter auffallend, was ihr Äußeres betraf, vielleicht sechzehn und siebzehn, die beiden älteren, und das andere, etwas jünger und, was natürlich doch auffiel, mit dunklerer Hautfarbe. Sie hielten inne, schauten hinüber zum Haus, schauten das Tal hinauf und hinunter und wieder zum Haus, und dann gehen die Meinungen auseinander, obwohl es gar nicht so viele Beobachter gewesen sein konnten, wie sich Zeugen fanden, die es gesehen haben wollten. Die einen sagen, der Mann habe seine Arme emporgereckt und sich mit erhobenem Kopf, den Blick in den wolkenlosen Himmel gerichtet, einmal im Kreis gedreht, die anderen, sie hätten sofort angefangen, Gepäck aus dem Kofferraum zu laden, und es sei Unsinn, der Szene mehr Bedeutung beizumessen, als sie gehabt habe.
Jedenfalls spazierten sie noch am selben Tag durch das Dorf, und auch davon gibt es unterschiedliche Darstellungen, heißt es einmal, sie hätten den Leuten über den Gartenzaun zugerufen, ihnen einen schönen Tag gewünscht und eine Fröhlichkeit zur Schau gestellt, die allenthalben Misstrauen geweckt habe, dann wieder, sie hätten mit niemandem gesprochen. Sie gingen auf der wenig befahrenen Straße nebeneinander, die Mädchen ineinander eingehängt, die Frau am Arm des Reverends, und ganz offensichtlich hatten sie sich herausgeputzt. Es blieb das Bild, an das ich mich immer als erstes erinnerte, wenn ich an sie dachte, obwohl ich nicht dabeigewesen bin. Ich sah sie wie für ein Foto gestellt vor mir, die Töchter in weißen Blusen und langen Röcken, ihr Haar glattgekämmt, während ihre Mutter, jetzt genauso in Schwarz wie der Mann, wohl noch die Sonnenbrille aufhatte, aber nicht mehr das Kopftuch, und ihn um eine Handbreit überragte, eine selbstbewusste Erscheinung und keineswegs das verhuschte, bis in die Physiognomie hinein unterdrückte Wesen, zu dem so manch einer sie später machte.
Da hatte sich schon herumgesprochen, dass sie aus Amerika waren, aber als der Reverend am Abend ins Gasthaus kam, erfuhr man darüber hinaus kaum etwas. Er fragte am nächsten Morgen an der Tankstelle, wo man am besten einkaufen könne, gab zuerst ein viel zu großes Trinkgeld, kehrte jedoch noch einmal um und verlangte den Betrag bis auf ein paar lächerliche Groschen zurück. Wenige Stunden später beobachtete man ihn, wie er den Kombi vor dem Supermarkt parkte und bis oben hin vollud, und dann schleppte er schwer bepackt die Einkaufstaschen zum Haus.
Während die Frau den ganzen Tag verschwunden blieb, hatten die Mädchen schon das zu tun begonnen, was sie in den kommenden Wochen meistens tun sollten oder was man sich zumindest von ihnen erzählte. Sie spielten Federball und verteilten die Tore eines Krocketspiels über den Obstgarten, der zum Haus gehörte, so dass man sie mit ihren Schlägern wie in die Landschaft gestellt einmal da, einmal dort sehen konnte, als hätten sie eine knifflige Aufgabe zu bewältigen. Außerdem nahmen sie von Anfang an ihre Plätze zum Lesen ein, eine Kuhle im Boden, die Stufe vor der sonnenbeschienenen Holzwand, an der früher das Brennholz aufgestapelt war, die Hinterbank eines Autos, die sie in der Scheune gefunden hatten und unter einen Sonnenschirm mitten in die Wiese setzten.
Seit ihrer Ankunft waren noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen, und sie hatten sich schon eingerichtet. Es war eine rasche Besitznahme, mit der sie ihr Revier absteckten, das sie kaum mehr verließen, und es geriet zur Ausnahme, wenn sie sich nach ihrem Begrüßungsspaziergang noch einmal ins Dorf wagten. Die Entfernung zu den
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