Eine Ahnung vom Anfang

auch in der Schule immer wieder in Konflikt mit dem Elternverein und seinen Kollegen brachten. Es wunderte mich, dass sie auch von dem Geld wussten, das ich Daniel gegeben hatte, und natürlich war die Summe viel größer, ging in die Zigtausende und ermöglichte es ihm, in Ruhe seine kranken Phantasien auszubrüten und ein Leben im Untergrund zu führen, mit dem ich zumindest sympathisierte, wenn man als Anhaltspunkt nahm, was für haarsträubende Dinge ich manchmal schon Zehn- und Zwölfjährigen im Unterricht erzählte. Dass niemand anders für die Bombendrohungen in Frage komme, war für sie eine ausgemachte Sache, und sie durften nicht warten, ob der Verrückte beim nächsten Mal immer noch zum Spielen aufgelegt war oder vom Spielen genug hatte und zeigen wollte, dass er auch anders konnte. Ich trat angeblich gerade erst aus der Tür, als sie schon darüber stritten, dass man mich nicht so ohne weiteres hätte ziehen lassen sollen, und es war wieder nur Herr Frischmann, der sie beschwichtigte, als ein paar von den Eifrigsten sich aufmachten, mir zu folgen, und sie zum wiederholten Mal beschwor, der Geschichte nicht mehr Bedeutung beizumessen, als sie habe.
    Zum ersten Mal fand ich mich um neun, zum zweiten Mal um halb zehn vor dem Bruckner ein, und als Agata um Viertel vor zehn immer noch nicht allein war, wartete ich auf der anderen Straßenseite und behielt den Eingang im Auge. Ich hatte mit dem Direktor telefoniert. Es war ein kurzes Gespräch geworden, bei dem er mehrmals wiederholte, jetzt hätten wir den Salat, eine für ihn nicht gerade typische Formulierung, und dann gleich dazu überging, mich zu fragen, ob ich etwas wisse, das ich ihm bislang verschwiegen hatte. Ich bekam den abwartenden und gleichzeitig drohenden Ton nicht aus den Ohren, in dem er gesagt hatte, wir könnten im übrigen ja in der Schule weitersprechen, ahnte da aber noch nicht, wie sehr die Männer gegen mich aufgebracht waren, weil er ihnen von dem Haus am Fluss als möglichem Versteck erzählt und sie dadurch überhaupt erst auf mich gebracht hatte. Trotzdem zog ich mich instinktiv zurück hinter die Mauer, vor der ich stand, als die ersten von ihnen auf die Straße traten. Ich konnte ihre Stimmen hören, doch nichts ließ darauf schließen, dass sie gerade noch über mich gesprochen hatten. Inspektor Hule befand sich nicht unter ihnen, er musste schon früher gegangen sein, aber einer von den letzten war Herr Frischmann. Er hielt sich eine Weile vor der Tür auf und rauchte, als wollte er sicherstellen, dass alle friedlich nach Hause gingen, und trabte dann, beide Hände in den Hosentaschen, pfeifend davon.
    Ich fand Agatas Aufregung übertrieben. Als der letzte Gast endgültig ging und sie die Lichter im Lokal ausmachte, blieb ich noch ein paar Augenblicke an meinem Platz stehen. Sie kam heraus und schaute die Straße hinauf und hinunter, und als ich wenig später eintrat, war sie so ungeduldig, dass sie mich spielerisch am Revers packte und an mir rüttelte, als könnte sie damit noch immer mein Kommen beschleunigen. Sie hatte an einem Tisch im hinteren Teil des Raums eine Lampe angelassen, von draußen kaum sichtbar, und dorthin dirigierte sie mich, während sie fragte, ob ich schon am Fluss gewesen sei, und ich gewunden erwiderte, ich hätte noch keinen Anlass dazu gehabt, und sie gequält ansah.
    »Wenn ich dich richtig verstehe, hältst du es also auch für erwiesen, dass Daniel dahintersteckt«, sagte ich dann. »Meinst du wirklich, dass es so einfach ist?«
    »Ich würde gern nein sagen, aber wenn man den ganzen Abend dieses Gerede mit anhören muss, kann man schon irr werden. Außerdem hast du damit angefangen. Du warst der erste, der geglaubt hat, ihn in der Zeitung zu erkennen.«
    Sie hatte sich zu mir gesetzt, stand jetzt aber auf und suchte hinter der Theke herum. Sie sagte, sie würde gern noch einmal einen Blick auf das Bild werfen, aber ich hatte den Zeitungsausschnitt nicht mit. Dabei sah sie mich an, als wäre damit das letzte Beweisstück verlorengegangen, mit dem sich vielleicht noch belegen ließe, dass alles doch ganz anders war, als es den Anschein hatte.
    »Kein Mensch kann sicher sein, ihn darauf zu erkennen, aber das ist auch gar nicht nötig«, sagte sie. »Die Geschichten, die es über ihn gibt, sprechen für sich, und wenn man nachdenkt, wem eine solche Dummheit einfallen könnte, muss man nicht lange suchen, bis er einem in den Sinn kommt.«
    Ich weiß nicht, was ich erwartete, aber ohne Zweifel wohl