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Eine Ahnung vom Anfang

Titel: Eine Ahnung vom Anfang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert Gstrein
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zwei große Aluminiumkisten hinein, wo auch immer sie die aufgetrieben hatten. Sie füllten sie schnell mit Konservendosen und Wasserflaschen und was es sonst noch war, das sie für unbedingt notwendig hielten, Vitamintabletten, wenn ich mich richtig erinnere, Streichhölzer, Aspirin und Verbandszeug, und am Ende blieb auch Platz für ein paar Flaschen Wein. Dass sie das alles auf ihre Weise zusammentrugen, war Ehrensache, und was das hieß, erfuhr ich erst, als sie schon wieder Erde darüber geschaufelt und von ihren Grabungsarbeiten so gut wie jede Spur beseitigt hatten. Das meiste war geklaut, und als ich sagte, sie hätten mich nur fragen müssen, und ich hätte ihnen Geld gegeben, sahen sie mich an, als würde ich aus einer anderen Welt kommen, und erwiderten, wenn es allein darum ginge, sich etwas zu kaufen, bräuchten sie das ganze Haus nicht, den ganzen Sommer nicht, und könnten genausogut in der Stadt bleiben, ins Schwimmbad gehen und Freunde treffen oder sonst irgendwie die Zeit totschlagen.
    Ich bemühte mich, das alles Agata so zu erzählen, wie ich es hier niederschreibe, und ich weiß noch, wie sie mich fragte, ob ich es nicht ein bisschen harmloser darstelle, als es in Wirklichkeit gewesen sei, immerhin habe es auch die Geschichte mit dem Feuer gegeben und da könne ich es den Leuten kaum verdenken, wenn es ihnen schwerfiel, einfach darüber hinwegzusehen. Es stimmte, bei ihren Diebestouren hatten die beiden Jungen einmal auch fast ein Dutzend alter Autoreifen vor einer Tankstelle entwendet, darunter zwei übermannshohe von einem Traktor, die sie mit dem Pritschenwagen von Christophs Vater an den Fluss hinausbrachten. Sie schleppten sie bis ganz ans Ende der Schotterbank und türmten sie auf dem flachen Felsen übereinander. Dann sammelten sie im Wald Äste und Zweige und schichteten sie drum herum, bevor sie in der einbrechenden Dämmerung den Haufen kanisterweise mit Benzin übergossen und ansteckten. Ich habe noch vor mir, wie es ein einziges Streichholz brauchte, um das Ganze mit einem merkwürdig zahmen Fauchen in Brand zu setzen, und wie die Plötzlichkeit sie überrascht hatte, mit der die Flammen in den Himmel schossen. Obwohl ich ahnte, dass es Aufsehen erregen würde, und obwohl ich Angst hatte, dass sich vom Funkenflug das trockene Gehölz am Ufer entzünden könnte, ließ ich sie machen, aber ich vermochte mir nur schwer vorzustellen, dass das zehn Jahre später überhaupt nur der Rede wert war. Deshalb sagte ich auch, dass weder Polizei noch Feuerwehr aufgetaucht sei, als bewiese das allein schon die Unbedenklichkeit der Geschichte, und ich erinnere mich noch an die Mischung aus Verwunderung und Bestürzung, mit der Agata reagierte.
    »Aber Anton«, sagte sie. »Du musst doch wissen, dass sie sich bereit gehalten haben und nur deshalb nicht eingeschritten sind, weil man auf dich Rücksicht genommen hat. In Wirklichkeit hat es schon damals mehr als genug Stimmen gegeben, dass man euch das nicht hätte durchgehen lassen sollen. Es ist nur wegen der Geschichte mit deinem Bruder gewesen.«
    »Wegen der Geschichte mit meinem Bruder?«
    »Ja«, sagte sie. »Erinnerst du dich nicht mehr?«
    Ich sah sie kopfschüttelnd an.
    »Man hat euch nur deswegen in Ruhe gelassen, weil Herr Aschberner den Einsatz gebremst hat. Er hat sich für dich verwendet. Er hat gesagt, er würde die Verantwortung übernehmen, und gebeten, dich nicht in noch größere Schwierigkeiten zu stürzen, als du ohnehin schon hattest.«
    »Der Direktor?«
    »Weißt du nicht mehr, dass er bei der Feuerwehr war? Sie sind fast augenblicklich mit einem Löschwagen zur Stelle gewesen und hätten beim kleinsten Flammenherd im Wald keine Sekunde verloren. Hat er dir das nie erzählt?«
    Ich wusste wirklich nichts von alldem, und ich wusste genausowenig, dass sich der Direktor dann dafür eingesetzt hatte, die Sache mit den gestohlenen Reifen stillschweigend aus der Welt zu schaffen, weshalb das auch die Stelle ist, an der ich jedesmal an der ganzen Geschichte zu zweifeln beginne, wie ich sie mir erzähle. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass das, was Agata sagte, nicht stimmte, und wenn ich nach Erklärungen suche, wie es sein konnte, dass ich den Löschwagen nicht gesehen habe oder dass ich mich tatsächlich nicht mehr erinnerte, dass er dagewesen war, tappe ich buchstäblich im Dunkeln. Augen hatte ich nur für das Feuer gehabt, und auch die beiden Jungen waren so dicht herangegangen, wie es die Hitze zuließ, hatten sich mit ein

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