Eine Ahnung vom Anfang
paar schnellen Schritten vorgestürzt und sofort wieder zurückgezogen und die längste Zeit immer noch Benzin in die Flammen geschüttet, dass weder sie noch ich darauf achteten, was hinter unseren Rücken vorging, aber das allein reicht kaum als Begründung, dass wir nicht merkten, wie keine hundert Meter von uns entfernt eine ganze Feuerwehreinheit Aufstellung nahm. Ich habe allen Grund, an der Zuverlässigkeit meiner Erinnerung zu zweifeln, und obwohl das der einzige Punkt ist, an dem sich die Realität so gravierend anders für mich darstellt, als ich sie im Kopf habe, frage ich mich natürlich, ob ich nicht mehr verdrehe, nicht mehr verdränge oder ganz einfach nicht richtig wahrgenommen habe. Auffallend ist, dass der Direktor mich auch später nie darauf angesprochen hat, und wann immer ich daran denke, sage ich mir, wenn das wegen seiner Fürsorglichkeit war, würde ich mir die gern sparen und dafür lieber wissen, was genau geschehen ist.
Agata gegenüber tat ich so, als ob mir allmählich wieder alles in den Sinn käme. Sie hatte begonnen, mich derart zweifelnd anzusehen, dass ich es nicht durchgehalten hätte, ihr länger zu widersprechen. Wirklich zu glauben schien sie mir nicht, und als sie sagte, dass die Leute auch wegen dieses Feuers alles für möglich hielten, ließ sie mich nicht aus den Augen, als wäre sie von meiner Zurechnungsfähigkeit nicht mehr ganz überzeugt.
»Es ist so weit gegangen, dass die Männer an der Theke spekuliert haben, ob nicht der Bauplan der Bombe aus dieser Zeit stammt«, sagte sie. »Überleg dir nur, was für ein Feuer das war.«
»Klein war es nicht«, gab ich zu. »Ändert das etwas?«
»Meterhohe Flammen, und dann hat es auch noch bis tief in die Nacht hinein gebrannt, um nicht davon zu reden, dass es mitten im Wald war.«
»Aber was hat das mit dem Bauplan der Bombe zu tun?«
»Das musst du sie selbst fragen«, sagte sie. »Sie haben auf jeden Fall am Ende sogar den Reverend ins Spiel gebracht, um zu erklären, warum es dann so lange ruhig war, bevor es plötzlich nach zehn Jahren zu den beiden Drohungen gekommen ist.«
In der ersten der beiden Nächte bei ihr hatte ich ihr erzählt, wie abgestoßen ich von dem Gespräch mit dem Reverend in der Raststätte gewesen war. Er wollte unbedingt wissen, was mich an den Fluss hinausgebracht hatte, und war mit keiner Antwort zufrieden, weil er in mir am liebsten einen Jünger gesehen hätte, der seine Ideen verwirklichte und allem entsagte, einen Gottsucher, und nicht einfach nur jemanden, der sich entschieden hatte, ein paar Wochen in der Natur zu verbringen. Ich erinnerte mich auf einmal auch wieder an seinen Satz, man müsse die Welt wie ein lichterloh brennendes Schiff hinter sich lassen und in den Wald gehen, und abgesehen davon, dass das Bild ein wenig schief war, wollte ich mich damit nicht noch einmal beschäftigen und gab Agata zu verstehen, wie müßig es war, auch nur ein Wort darüber zu verlieren.
»Müssen wir wirklich über den Reverend sprechen?«
»Er soll gesagt haben, dieses Jahr sei das Jahr.«
»Aber Agata«, sagte ich. »Welches Jahr denn?«
Ich wartete, doch sie reagierte nicht.
»Welches Jahr soll dieses Jahr sein?«
»Das musst du besser wissen«, sagte sie schließlich und sah mich an, als wäre ich selber schuld, darauf zu beharren. »Ich habe nie mit ihm gesprochen. Das Jahr, in dem sich seine Prophezeiungen erfüllen? Das Jahr, in dem mit der Wiederkehr des Messias zu rechnen ist? Das Jahr, in dem die Welt untergeht? Ich nehme an, das dürfte in etwa seine Palette gewesen sein.«
Ich bat sie, damit aufzuhören. Sie hatte sich richtig hineingesteigert und lachte jetzt über die Absurdität. Ich sagte, es sei doch nicht denkbar, dass jemand sich im Ernst darauf beziehe, aber sie hatte recht, die Stimmung brauchte nur umzuschlagen, und die Leute wären empfänglich für die irrationalsten Argumente. Sie hatte immer voll Spott über den Reverend gesprochen, und die Verachtung, die sie für seine religiösen Umtriebe empfand, spiegelte sich in ihrer Abneigung gegen Amerika wider. Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass dort etwas ganz grundsätzlich nicht stimmte, dann reichte ihr der Erfolg, den solche Figuren wie der Reverend bei sich zu Hause hatten, und es war eine einfache Rechnung für sie, je mehr es von diesen erbärmlichen Gottesmännern in einem Land gebe und je mehr von der geistigen Armut, die sie verbreiteten, um so mehr sei es des Teufels, möge es die Achse des Bösen
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