Eine Andere Welt
»Sie stehen in dieser
Sache nicht mit anderen Sechsern in Verbindung?«
»Ich kenne einen anderen Sechser«, sagte Jason. »Es ist eine Frau
– Heather Hart. Und sie hält mich für einen Proletenfan, obwohl
wir viele Jahre eng befreundet waren.« Er sagte es mit mehr Bierkeit als er beabsichtigt hae.
Diese Information interessierte Buckman; er hae nicht gewußt,
daß die bekannte Sängerin Heather Hart eine Sechser war. Aber es
schien nur vernünig. Er war in seiner Karriere jedenfalls nie einer Frau begegnet, die eine Sechser war; seine Kontakte mit Frauen
waren überhaupt spärlich.
»Wenn Miß Hart eine Sechser ist«, sagte Buckman laut, »sollten
wir sie vielleicht hierherbien und in die Befragung einbeziehen.«
Ein Polizeieuphemismus, der ihm leicht von der Zunge ging. »Tun Sie das«, sagte Jason. »Drehen Sie sie durch die Mangel.«
Sein Ton wurde aurausend. »Zerbrechen Sie sie. Stecken Sie sie
in ein Zwangsarbeitslager.«
Ihr Sechser, dachte Buckman bei sich, kennt nur wenig Loyalität füreinander. Er hae das schon früher beobachtet, aber es überraschte ihn immer wieder. Eine elitäre Gruppe, aus dem besten
geistigen und körperlichen Erbgut gezüchtet, um neue moralische
Maßstäbe zu setzen und einzuführen, die in der Lebenswirklichkeit verstreut und zur Bedeutungslosigkeit herabgesunken war,
weil ihre Mitglieder einander nicht ausstehen konnten. Er mußte
lächeln.
»Erheitert Sie das?« fragte Jason. »Glauben Sie mir nicht?« »Das ist nicht wichtig.« Buckman zog eine Kiste mit CuestaRey-Zigarren aus einer Schreibtischschublade, nahm eine heraus
und schni mit seinem kleinen Taschenmesser das Ende ab. Jason Taverner verfolgte die Vorbereitungen fasziniert. »Eine Zigarre?« fragte Buckman. Er nahm die Zigarrenkiste
und hielt sie Jason hin.
»Ich habe nie eine gute Zigarre geraucht«, sagte Jason. »Wenn
es herauskäme, daß ich ...« Er brach ab.
»Herauskäme, sagten Sie?« fragte Buckman, aufmerkend. »Sie
meinen, wenn die Polizei davon erführe?«
Jason schwieg, aber er hae die Fäuste geballt, und sein Atem
ging heig und stoßweise.
»Gibt es Schichten, in denen Sie wohlbekannt sind?« sagte Buckman. »Zum Beispiel unter Intellektuellen in Zwangsarbeitslagern? Sie wissen schon – diejenigen, die vervielfältigte Manuskripte in
Umlauf bringen.«
»Nein«, sagte Jason.
»Unter Musikern, dann?«
»Nicht mehr«, sagte Jason mit gepreßter Stimme.
»Haben Sie jemals Plaenaufnahmen gemacht?«
»Nicht hier.«
Buckman beobachtete ihn weiterhin. Es schien, als ob er nie
mit den Augenlidern zwinkern mußte; er hae diese Technik des
Anstarrens in langen Jahren beherrschen gelernt. »Wo dann?«
fragte er mit kaum hörbarer Stimme. Das Absinken der Lautstärke
sollte einlullen und von der Wortbedeutung ablenken. Aber Jason Taverner ließ es an sich abgleiten; er reagierte nicht.
Diese verdammten Sechserbastarde, dachte Buckman ärgerlich.
Mit einem Sechser kann man keine Spielchen machen, es klappt
einfach nicht.
Er drückte wieder auf die Taste der Gegensprechanlage. »Lassen
Sie eine Miß Katharina Nelson zu mir bringen«, instruierte er Herb
Maime. »Eine unserer Informantinnen unten in Wa s, dem früheren Negerviertel. Ich denke, wir sollten uns anhören, was sie zu
sagen weiß.«
»Halbe Stunde.«
»Danke.«
»Warum sie da hineinziehen?« fragte Jason Taverner heiser. »Sie fälschte Ihre Papiere.«
»Sie weiß nur über mich, was ich ihr für die Ausweispapiere
auf einen Zeel schrieb«, sagte Jason mürrisch.
»Und das war erfunden?«
Nach einer Pause schüelte Jason den Kopf.
»Sie existieren also.«
»Nicht hier.«
»Wo?«
»Ich weiß es nicht.«
»Sagen Sie mir, wie Sie es fertigbrachten, alles Datenmaterial
über Ihre Person verschwinden zu lassen.«
»Das habe ich nie getan.«
Bei diesen Worten fühlte sich Buckman plötzlich von einer ungeheuren Ahnung überwältigt; sie packte ihn mit eisernen Krallen. »Sie haben kein Datenmaterial aus den Speichern und Archiven entnommen; Sie haben versucht, Material hineinzubringen.
Es waren von Anfang an keine Daten da.«
Jason Taverner zögerte, dann nickte er.
»Gut«, sagte Buckman; er fühlte die Glut einer Entdeckung
wärmend in seinem Innern, und die zart aufflackernde Flamme
begann Konturen zu erhellen. »Sie haben nichts herausgeholt.
Aber es gibt einen Grund, warum die Daten nicht existieren.
Warum nicht? Wissen Sie es?«
»Ich weiß«, sagte Jason Taverner, mit gerunzelter Stirn auf die
Schreibtischplae starrend, »daß ich nicht
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