Eine angesehene Familie
hinunter.
Er schlief fest, mit leicht geöffnetem Mund, von der Schwäche besiegt.
Da kehrte sie um, kochte sich, nackt wie sie war, einen neuen Schuß auf und gab ihn sich, auf einem Küchenhocker sitzend, an die Tür des Kühlschranks gelehnt, bewußt genießend, wie er durch ihre Ader rann. Es war ein starker Druck. Zehn Minuten lang hielt das Rauschen in ihrem Hirn an, bis sie wieder klar und fröhlich denken konnte. Sie ging ins Zimmer zurück, beugte sich über Mahlert, gab ihm einen Kuß auf die Stirn, zog die verrutschte Bettdecke gerade und kleidete sich im Bad an. Vorher betrachtete sie sich im Spiegel, drehte sich in ihrer Nacktheit hin und her und stellte fest, daß sie sehr schön war. Ein zwar vergängliches Kapital, aber immerhin ein Kapital, das man als Einsatz gebrauchen konnte.
Als Peter Roßkauf zurückkam, saß Monika Barrenberg brav neben dem auf leise gestellten Plattenspieler und legte die Finger auf die Lippen. Sie hatte etwas Engelhaftes an sich, eine merkwürdige, unnatürliche Ausstrahlung.
»Er schläft«, flüsterte sie. »Ganz fest. Können Sie mich zu meinem Moped bringen?«
»Wollen Sie nicht warten, bis er wieder aufwacht?«
»Der Schlaf tut ihm gut.«
»Das bestimmt.« Roßkauf hielt die Tür auf. »Kommen Sie.« Im Treppenhaus blieb er stehen und musterte Monika fragend. »Hat es Komplikationen mit seinen – Rippenquetschungen gegeben?«
»Nein. Aber es war sehr anstrengend für ihn.«
»Er wollte es so. Himmel, war das ein Kampf, bis er mich doch noch überredet hatte. Kommen Sie morgen wieder?«
»Ich glaube.«
»Kommen Sie! Holger liebt Sie sehr.«
»Ich weiß es. Er hat es mir gesagt.«
»Sie lieben ihn nicht, Monika?«
»Wie können Sie so etwas sagen?!«
»Mir kommt es vor, als nähmen Sie Holgers Liebe hin wie einen Drink.«
»Soll ich herumtanzen und Cheerioh singen?!« Sie blickte Roßkauf ernst an. »Ja! Ich liebe Holger. – Fahren Sie mich zu meinem Moped?«
Vor den Tennishallen, auf dem Parkplatz, suchten sie vergeblich nach der grünen Yamaha. Der Platz, wo Monika sie abgestellt hatte, war leer. Auch im Clubbüro wußte man von nichts.
»Geklaut!« rief Monika wütend. »So eine Sauerei! Die klauen Mopeds vor Clubhäusern!«
»Logisch. Da stehen immer die besten Autos. Aber die waren für den Liebhaber ein paar Nummern zu groß. Ihr Moped war wohl gerade das Richtige. Fahren wir zur Polizei!«
»Was soll denn die?« Monika schüttelte den Kopf. »Die lacht uns doch nur aus. In Frankfurt nach einem Moped suchen! Morgen früh ist es längst umlackiert und statt grün vielleicht blau. Ärger gibt es nur mit meinem Vater. Er wird wieder losdonnern und stundenlang behaupten, daß es so was früher nicht gegeben habe, daß so was beim Adolf unmöglich gewesen sei, da wurden solche Verbrecher entmannt oder in Sicherungsverwahrung gesteckt, überhaupt dieser lasche Betrieb heute, früher hieß es kurz und bündig Rübe ab, da hatte die Volksgemeinschaft Ruhe, da konnte man noch nachts durch die Straßen gehen, die ganze Rockerbrut gehört zur Arbeit ins Moor, aber die Deutschen lernen ja nie etwas, die bepinkeln sich die eigenen Hände und warten auf Applaus! Und er merkt gar nicht, wie lächerlich er sich damit macht, wie gründlich er sich selbst widerlegt. Nur davor habe ich einen Horror. Ein neues Moped kriege ich sowieso.«
»Sie haben einen Anti-Vater-Komplex?« fragte Roßkauf. Er fuhr Monika nach Sachsenhausen und setzte sie vor der Villa der Barrenbergs ab. »Oder reden Sie so nur, weil Sie das Generationen-Problem für modern halten?«
»Mache ich einen so dusseligen Eindruck auf Sie?« Monika lachte hell. Der neue Schuß wirkte voll, sie kam sich tierisch frei vor, und Roßkauf war genau so ein Spießer wie alle anderen, die sich eine Viertelstunde mit ihrem Schlipsknoten aufhielten. »Mein Vater ist zum Kotzen!«
»Aber was wären Sie ohne ihn?«
»Sicherlich eine Null!« Sie stieg aus und beugte sich noch einmal zur Autotür hinein. »Wäre das so schlimm? Überlegen Sie mal: Was wäre eine Zahl ohne Null? Wie jämmerlich ist eine 1 … Aber mit sechs Nullen ist sie eine Million! Verachtet mir die Nullen nicht!«
Sie warf die Tür zu, winkte Roßkauf zu und hüpfte wie ein kleines Mädchen durch das Vorgartentor. In der Dunkelheit der Buschreihen tauchte sie unter.
Roßkauf wartete noch eine Minute, dann fuhr er nachdenklich davon.
Er traf Holger Mahlert außerhalb des Bettes an. »Wo ist Monika?« rief er. »Peter, du hast sie
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