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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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über sein Schicksal reden zu können. Er hatte keine Freunde, nur gute Bekannte. Er hatte keinen Vertrauten, nur Vereinsbrüder. Nicht einmal an den Pfarrer könnte er sich wenden, nachdem er dreimal nach einer Spendenbitte die Fotokopie seines Kirchensteuerbescheids ins Pfarrhaus geschickt hatte, mit der Bemerkung, er könne sich mit einem solchen Betrag einen eigenen Bischof halten …
    Gegen Mittag fand er sich in einer Altfrankfurter Kneipe wieder, aß Eisbein mit Sauerkraut und trank ein Bier. Aus der Telefonzelle der Kneipe rief er die Kriminalpolizei an und ließ sich so lange hin und her verbinden, bis er an einen Beamten kam, der sich für zuständig erklärte, seine Fragen zu beantworten.
    »Bitte nur einen Rat«, sagte Barrenberg gebrochen. »Meine Tochter ist weggelaufen.«
    »Wie alt?«
    »Achtzehn Jahre und zwei Monate.«
    »Hm …« machte der Beamte.
    »Was heißt hm?« fragte Barrenberg.
    »Sie ist volljährig. Also hat sie eine Entscheidung getroffen. Von Weglaufen kann nicht die Rede sein.«
    »Sie hat aber bis heute bei uns gelebt. Im Elternhaus! Behütet wie eine Prinzessin. Und plötzlich läuft sie weg …«
    »Das hört man jetzt oft. Die jungen Damen wollen keine Prinzessinnen sein, sondern moderne, selbständige Menschen. Ich glaube, Sie haben da einen Erziehungsfehler begangen.«
    »Sie will ihr Abitur nicht mehr machen!«
    »Keiner kann sie dazu zwingen.«
    »Was ist das denn für ein Staat, wo Kinder einfach weglaufen können und haben auch noch recht!?«
    »Ihre Tochter ist über 18. Für sie gilt auch das Grundgesetz: Die Würde des Menschen ist unantastbar …«
    »Sie ist doch noch gar kein Mensch! Sie ist eine unreife Göre! Sie ist ein Spätzchen … Wo will sie denn hin? Sie hat doch kein Geld!«
    »Das wissen die jungen Leute meistens ganz genau. Sie haben ihre eigene Welt.«
    »Aber keine bessere!«
    »Davon sind sie nicht so überzeugt.«
    »Können Sie mir helfen?«
    »Kaum.« Der Beamte von der Kripo räusperte sich. Das Gespräch wurde auf Tonband mitgeschnitten. »Wollen Sie eine Vermißtenmeldung aufgeben? Befürchten Sie ein Verbrechen?«
    »Nein! Aber nein doch! Ein Verbrechen ist es, die heutige Jugend so leben zu lassen wie sie will! Ich kann doch nicht einfach zulassen, daß meine Tochter wegläuft. Auch wenn sie über 18 ist! Sie bleibt doch meine Tochter!«
    »Aber sie kann frei entscheiden. Es tut uns leid, aber hier kann die Polizei gar nichts für Sie tun. Oder verkehrt Ihre Tochter etwa in Fixerkreisen?«
    »Sie meinen Heroin?«
    »Ja.«
    »Nie! Die Vorstellung ist absurd! Monika und Rauschgift?! Das wäre das letzte. Das hätte ich sofort gemerkt! Nein! Kein Gedanke!«
    »Dann können wir Ihnen nicht helfen. Das ist dann ein rein familiäres Problem. Wie heißen Sie, bitte?«
    Barrenberg legte auf. Er drückte die Stirn gegen die Wand der Telefonzelle und wartete ein paar Atemzüge lang. Dann rief er Bettina an. Sie war zu Hause, was ihn sehr verwunderte. Ihre Stimme klang erregt.
    »Ich bin es«, sagte Barrenberg. »Betty, ich bin am Ende! Monika ist weggelaufen. Sie weiß alles von uns. Kann ich zu dir kommen?!«
    »Nein! Jetzt nicht! Ich war schon draußen, als das Telefon läutete und bin zurückgelaufen. Ich muß sofort nach Offenbach. Ein Auftrag von einer Ledermantelfabrik.«
    »Und heute abend?«
    »Ich rufe dich im Büro an, ja? Tschüß …«
    Barrenberg nickte. Tschüß! Das war alles. Offenbach. Ledermantelfabrik. Tschüß. Kein Wort für seine Qual. Kein Trost für sein zerspringendes Herz. Tschüß.
    Er warf den Hörer hin und verstand zum erstenmal die Menschen, die nicht mehr leben wollten.
    Bettina ließ ihre Hand auf dem Telefon liegen, nachdem sie die Gabel niedergedrückt hatte. Petrescu lag neben ihr im Bett und streichelte ihre Brüste; auch während sie mit Barrenberg gesprochen hatte, hatte er das Spiel nicht unterbrochen. Seine Fingerspitzen umkreisten die Warzen und machten sie toll.
    »Das war Barrenberg, nicht wahr?« fragte er und zog sie näher an sich.
    »Ja. Er war verzweifelt.«
    »Ach nein?«
    »Er ist am Ende.«
    »Darüber sollte ich mich eigentlich freuen. Was hat ihn so umgehauen?«
    »Seine Tochter ist ihm weggelaufen.«
    Petrescu schob die Unterlippe vor und ließ seine Hände über Bettinas Schoß kreisen. Das ist wirklich eine große Neuigkeit, dachte er. Darum muß man sich jetzt kümmern. Mit der Schnelligkeit eines vereisten Schlittens ist sie in den Abgrund gefahren. Man hat die Pflicht, sie zu suchen.
    »Wohin

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