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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erstenmal in diesem Jahr schwänzte Monika die Schule.
    Mit sechzehn Jahren war das anders gewesen. Damals hatte sie Jochen kennengelernt, einen Jungen, der fabelhaft tanzen konnte, und sie war so toll verliebt in ihn gewesen, einfach beknallt, wie sie es nannte, daß sie glaubte, ohne ihn nicht mehr leben zu können. Er war damals in der Unterprima, und gemeinsam schwänzten sie die Schule, pro Woche zweimal, um am Main spazieren zu gehen, in den Grünanlagen am Stadion zu sitzen oder ab 11 Uhr vormittags ein Kino zu besuchen, immer Hand in Hand und selig bis unter die Haarspitzen. Mehr war nicht – kein Petting, etwas anderes schon gar nicht, nur ab und zu ein Kuß … So richtig altmodisch war es, obwohl über die Hälfte von Monikas Klassenkameradinnen schon mit Jungen geschlafen hatten und davon erzählten, als sei so etwas die Krone des Lebens. Es war eine schöne Zeit – bis Jochen sich absetzte. Monika erfuhr, daß er sich einem Mädchen namens Ursel zugewandt hatte, und Ursel hatte ihn ohne Zögern im Wald hinter dem Autokino gelegt. Es war Monikas erster, zerreißender Seelenschmerz gewesen. Aber von da ab schwänzte sie die Schule nur noch in dringenden Fällen.
    Heute war so ein dringender Fall.
    Das Telefongespräch hatte doch eine Wunde gerissen. Auch wenn sie sich immer wieder einredete, daß ihr Vater keine Geliebte haben könne, – es blieb ein Quentchen Mißtrauen, das wie ein Splitter in der Seele stach.
    Um neun Uhr pflegte Eduard Barrenberg sein Architekturbüro zu betreten. Es umfaßte zwei Etagen eines modernen Geschäftshauses, das natürlich auch von Barrenberg gebaut worden war. Er beschäftigte sieben Architekten, neun technische Zeichner, vier Statiker, zwei Bürogehilfen, vier Sekretärinnen und eine Chefsekretärin. Hinzu kamen der Chefbuchhalter, eine Buchungsgehilfin und Opa Wimmer, der Nachtwächter. Barrenberg war an verschiedenen Baufirmen beteiligt, sogar in eine Baustoffhandlung hatte er sich eingekauft. Da kommt allerhand zusammen. Aber es muß auch allerhand verdient werden, um einen solchen Betrieb zu unterhalten.
    Monika fuhr, statt zur Schule, zum Main, setzte sich dort in die Morgensonne und stand um neun Uhr pünktlich in Sichtweite des Bürohauses, hinter dem Fenster eines Supermarktes. Ihr Moped lehnte draußen an der Wand. Sie hatte einen Einkaufswagen genommen und zwei Teile hineingelegt, um schnell wieder auf die Straße zu kommen: Ein Päckchen Puddingpulver und eine Tafel Nußschokolade.
    In dem Hin und Her des Supermarktes fiel nicht auf, daß sie am Fenster stand und nicht zur Kasse ging. Die lange Schlange vor den Kassen verdeckte sie, und in einem Supermarkt kümmert sich ohnedies keiner um den anderen.
    Monika sah, wie der weiße Wagen ihres Vaters auf dem reservierten Parkplatz hielt. Barrenberg stieg aus, schwenkte jugendlich seinen Aktenkoffer aus Krokodilleder und betrat mit forschen Schritten das Haus. Monika blickte auf ihre Armbanduhr. Zehn Minuten nach neun. Er war sicherlich im Straßenverkehr hängengeblieben.
    Eduard Barrenberg war an diesem Morgen wirklich bester Laune. Er dachte an die vier Tage Florenz, die er mit Betty erleben würde. An diese viermal vierundzwanzig Stunden, von denen man die meisten im Bett verbringen würde. Er spürte ein Kribbeln über den ganzen Körper, wenn er daran dachte … Sich austoben mit diesem herrlichen Weib, die einundfünfzig Jahre wegwischen, wieder jung sein und bestätigt sehen, daß die Jahre spurlos vorbeigezogen sind! Wenn jemand kapitulierte, würde es Betty sein. Zwanzig Jahre jünger zwar – aber sie würde flehen: »Schluß … ich kann nicht mehr, Voice … ich zerbreche!« Und sie würde daliegen wie auf das Bett gekreuzigt, mit gespreizten Armen und Beinen … Barrenberg war es bei diesem Gedanken, als liefe eine Armee Ameisen über seinen Körper. Seine Sehnsucht nach Bettina, schon am frühen Morgen, nahm pathologische Formen an. Vier Tage Florenz … Um zehn Uhr mußte er Bieringer anrufen, den verknöcherten Galeriebesitzer, und um Aufschub für Bettinas graphische Blätter bitten.
    Barrenberg setzte sich hinter seinen riesigen Schreibtisch, wühlte unlustig in der Post, die ihm seine Sekretärin vorgelegt hatte und las dann einen Brief vom Bauamt, in dem ihm nahegelegt wurde, im Hinblick auf die Fassaden der benachbarten Häuser seinen geplanten Neubau mit Sprossenfenstern zu versehen.
    »Auf einmal denken die künstlerisch, die Arschlöcher!« sagte er laut. »Früher waren sie von jedem

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