Eine angesehene Familie
…«
Freddy hat sich dann eine gute Nadel voll gekocht, und für mich gleich eine halbe Portion mit. Ich wollte nicht, ich weiß ja, wo das endet. Allerdings habe ich ja einen starken Willen. Doch dann sagte Freddy: »Monika, sieh dich doch mal um! Dein Alter bumst sich durch die Gegend, deine Mutter ist cool wie 'n Eisberg, um dich kümmert sich keiner, sie stopfen dich voll mit Geschenken und denken, das genügt. In Wirklichkeit ist jeder für den anderen eine Last, so tierisch beschissen ist das alles! Da muß man doch 'raus!«
Ich habe also von Freddy den Schuß bekommen. Mir wurde wieder ganz heiß und schwindelig, aber dann ließ das Herzklopfen nach, und ich war so zufrieden wie lange nicht.
In der Disko habe ich dann einen anderen Mann kennengelernt. Holger Mahlert heißt er. Student, sechstes Semester Chemie. Ausgerechnet Chemie, wo ich beim Abitur gerade noch so durchrutschen werde. Er saß an der Bar, trank Cola mit Rum, was sie Cuba libre nennen, und stierte mich die ganze Zeit an. Ich war so richtig auf dem Trip, kam mir sehr cool vor und sagte zu dem Glotzenden: »Was haben wir denn? Sitzt bei dir die Linse fest?« Mein Gott, so hätte ich früher nie gesprochen. Wenn ich das jetzt durchlese, was ich geschrieben habe, schüttelt es mich. Wie schnell man sich diese Fixersprache angewöhnt. Aber ich habe wirklich so gesprochen, heute abend.
Holger lächelte mich an und antwortete: »Was machst du hier? Du paßt doch nicht hierhin! Wollen wir woanders hingehen?«
»Und du?« habe ich gefragt. »Was hockst du hier auf 'nem Pfahl?! Willst dir 'ne Ausgeflippte aufreißen, was? Da läuft nichts, Glotzauge!«
Aber wir haben uns später doch gut unterhalten. Sein Vater ist ein berühmter Physiker. Von ihm stammt der ›Mahlert-Effekt‹. Habe nie davon gehört, aber ich glaube es ihm. Holger ist ganz anders als Freddy, natürlich. Er sagte, er sei nur hier, weil ein Freund ihn mitgenommen habe. Der Freund tanzte dort mit einer langen Blonden und zuckte dabei wie ein Epileptiker. Das fand ich Klasse. Ich mag diese verrückten Verrenkungen nicht, wo sie mit dem Unterleib nach vorn stoßen, als wollten sie … Na ja, Holger redete gut, erzählte von Bergtouren, er sei auch ein guter Schwimmer, überhaupt ein doller Sportler. Das sei viel besser als der Mief der Disko. Langsam kapierte ich: der fühlte sich hier als Missionar! »Holger«, habe ich zu ihm gesagt –, »du kannst mit mir vernünftig reden. Ja, ich habe eine Nadel weg, eine halbe nur, aber ich fange ja erst an. Warum ich anfange? Da fragst du um die Ecke. Ich fühle mich dann freier, verstehst du? Natürlich verstehst du das nicht! Hat dein Vater eine Geliebte? Kommst du nach Hause und nie ist einer da? Und willst du was loswerden, was dich bedrückt, heißt es dann bei dir auch: ›Später, Spätzchen, später. Ich habe zu tun!‹ Und später ist dann nie! Du hast alles, du lebst in einem goldenen Käfig, aber es ist keiner da, der dich versteht. Kennst du das?«
Und Holger hat geantwortet: »Aber so ein Schuß – hört der dich? Versteht er dich?! Kannst du mit einer Spritze sprechen?«
Da habe ich ihn ziemlich dämlich angeschaut, habe ihn auf die Tanzfläche gezogen und mit ihm einen Rock hingelegt, daß Freddy in seine Trompete hustete. Geschwitzt hat er, der Holger, und gejapst, der große Sportsmann, aber ich war ganz klar und cool und habe zu ihm gesagt: »Ich baue nicht ab! Und wenn ich mein Abitur gemacht habe, studiere ich Psychologie und Soziologie und kümmere mich um die Scheißhaufen hier!«
Wirklich, das habe ich gesagt! Wer hätte das je für möglich gehalten?! Auf Holger schien das stimulierend zu wirken. Er fragte mich, wann er mich wiedersehen könne, und ich habe geantwortet, wann er wolle, hier im ›Number Sex‹, wenn er Glück hat.
Später, in einer der dreckigen Garderoben, wo Freddy sich umziehen mußte, hat der mich angebrüllt. Geweint hat er sogar. »Wer war der Kerl? Was wollte er? Ich bringe den Wichser um! Wie heißt er? Was hast du mit ihm gesprochen? Dem reiße ich die Eier weg!« Es war furchtbar! Und dann hat er mich auf das alte Sofa geworfen, ich habe um mich geschlagen, und Freddy hat geweint: »Wenn du weggehst, drücke ich mir heute nacht noch den Goldenen! Ich hab' genug Dope … Monika, du kannst nicht mehr von mir weg! Ich brauche dich doch … Vielleicht schaffen wir es gemeinsam …«
Vielleicht!
Er hat mir weh getan, verdammt weh. Es war ja das erstemal. Ich habe die Zähne auf einander
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