Eine angesehene Familie
Sie kam sich durchaus nicht elend vor, sie war in einer gelösten Stimmung, sie hätte jetzt tanzen können. Der tote Freddy lag da, sie konnte ihn ansehen ohne Schauder, es war, als erwarte sie, daß er jeden Augenblick aufspränge und riefe: »So 'n Scheiß! Hab' ich alles verpennt?«
»Was machen wir mit ihm?« fragte sie ohne Anteilnahme.
»Wir bringen ihn weg.« Petrescu legte den Arm um sie, küßte sie in die Halsbeuge und strich mit der linken Hand über ihre Brust. Sie drückte die Hand weg und sagte mit etwas leiernder Stimme:
»Da läuft nichts, Herr Makaroff. Lassen Sie den Blödsinn!«
»Du könntest dir wünschen, was du willst, Monika.«
»Ich möchte weg von hier!«
»Ich komme an das beste Nr. 4 heran.«
»Ich brauche nichts.« Sie befreite sich aus seinen Armen und ging zur Tür. Ihr Gang war unsicher, aber ihr kam es vor, als schwebe sie. Die Vierteldosis reines H machte sie euphorisch. Es war, als schlüpfe sie in eine neue, verjüngende Haut.
Petrescu lachte sie an. Er ging in das nebenan liegende Schlafzimmer und kam mit einem kleinen verchromten Kästchen zurück. Man konnte es in jede Jeanstasche stecken.
Monika nahm es mit spitzen Fingern entgegen. Sie klappte den Deckel hoch und sah dann Makaroff an. Nichts fehlte, geradezu aufreizend war es in weißen, weichen Zellstoff gebettet: eine Plastikspritze, fünf Nadeln, in Cellophan eingeschweißt, ein Klapplöffel, zwei niedrige runde, in Metalltöpfchen gegossene Kerzen, sogenannte Hindenburg-Lichter, ein zusammengerollter Abbindegürtel und eine besondere kleine Dose für das Wichtigste: das H.
»Was soll das?« fragte Monika.
»Ein Geschenk. Vielleicht kannst du es brauchen.«
»Ich denke, Sie haben von dem ganzen Zeug keine Ahnung?«
»Ich habe Freunde und Freundinnen«, sagte Makaroff und löschte das diffuse Licht in der Hausbar. Jetzt beschien nur noch die schwache Tischlampe das bleiche Gesicht von Freddy. »Sie lassen so etwas liegen oder schenken es mir, um mich zu animieren, in ihren Kreis einzutreten. Aber ich finde nichts dabei, mich durch Heroin zu betrügen. Ich will die Welt nicht anders sehen als sie ist.«
»Ich werde es nachher wegwerfen.« Monika steckte das Chromkästchen in die Tasche ihrer Diskohose. Makaroff nickte.
»Tu das! Wirf es weit weg!«
Er wußte, daß sie es nicht tun würde. Wenn die Wirkung des Druckes, den er ihr, als sie besinnungslos war, gegeben hatte, nachließ, würde sie merken, wie nötig sie eine neue Nadel hatte. Sie war gefangen, das wahnsinnige Verlangen ihres Körpers nach neuem Gift würde sie überwältigen. Es gab keine Flucht mehr, nicht aus eigenem Antrieb. Solange Monika schwieg, führte jeder Tag mit jeder Spritze nur noch tiefer in den Abgrund.
Gemeinsam hatten sie dann Freddy in den Keller des Abbruchhauses gebracht und alles so hergerichtet, daß man glauben mußte, er habe sich hier den Goldenen Schuß gegeben. Dann setzte Petrescu Monika unweit der Barrenberg-Villa ab und gab ihr zum Abschied einen Kuß. Sie ließ es über sich ergehen.
»Auf Wiedersehen, Komplizin!« sagte Petrescu. »Meine Adresse kennst du?«
»Nein. Irgendwo am Main. Die Straße habe ich mir nicht gemerkt. Warum auch?« Sie sah ihn abweisend an. »Mich wollen Sie ja nicht nach Las Vegas bringen …«
Petrescu atmete auf. Das war sein einziger Fehler gewesen; er hatte ihn erst später entdeckt: Eine seiner Wohnungen hatte er selbst aus der Anonymität herausgehoben. Er nahm sich vor, das sofort zu bereinigen, obwohl Monika sich vermutlich nur noch schwach erinnern konnte. Auf jeden Fall konnte sie beschreiben, wie das Haus ausgesehen hatte, und daß es am Main lag. Für einen Kriminalbeamten war die Identifizierung eine Kleinigkeit. Petrescu beschloß, die Wohnung sofort aufzugeben und schon am nächsten Tag zu räumen.
»Ich hole dich ab!« sagte er.
»Von hier? Unmöglich!« Sie warf die Haare aus dem Gesicht und stieg aus dem Wagen. »Was wollen Sie noch von mir? Vergessen wir alles!«
»Wenn du das kannst …«
»Ich kann es!« antwortete sie. Freddy hätte gesagt: Du bist cool wie 'n Eiszapfen. »Ich möchte Sie auch nicht wiedersehen!«
Sie wandte sich ab und ging mit schnellen kleinen Schritten der Villa zu, die hinter einer halbhohen Mauer und dichten Taxushecken wie ein weißer Fels in der Nacht lag.
Petrescu sah auf die Autouhr. Vier Uhr morgens. Ein paar Stunden Schlaf neben einem warmen weichen Körper waren noch möglich.
Er wendete und fuhr in die Stadt zu Bettina
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