Eine angesehene Familie
verstehen. Er schob die siebzehn zerrissenen Dollarnoten zusammen und steckte sie in die Schublade seines Schreibtisches. Der Abgesandte klappte seinen Koffer zu.
»Wie wird bezahlt?« fragte Petrescu.
»Sofort in bar.«
»Und wenn die Kuriere nicht durchkommen?«
»Welches Geschäft ist ohne Risiko?«
»Mit 120 Kilogramm könnt ihr doch kein Schiff voll Waffen kaufen?! Wer vertreibt die andere Ware?«
»Sie geht nach Amerika und Südfrankreich.«
»Und wen beliefert ihr noch in Deutschland?«
»Zu viele!« Der Wortführer setzte sich wieder und nahm den Aktenkoffer auf den Schoß. »Wenn du unser Freund bist, könnte das deutsche Geschäft allein bei dir bleiben.«
»Ohne Ausnahmen?«
»Ohne Ausnahmen!«
»Ich gebe euch einen Schweizer Barscheck mit. Ich muß noch ausrechnen, wieviel …«
»Nicht nötig. Wir haben die Rechnung mit.« Der Kurde reichte Petrescu einen Zettel über den Tisch. Es war eine Summe, bei der Petrescu leicht zusammenzuckte. Es war das größte Geschäft seines Lebens – wenn die Kuriere durchkamen. Und es würde ein Traumgeschäft in den nächsten Jahren werden, wenn er allein den deutschen Handel kontrollierte. Die asiatische Konkurrenz hatte dann keinerlei Chancen mehr und fiel völlig aus dem Markt. Auch die türkische ›Kleinindustrie‹; die Familienunternehmen der Gastarbeiter mit ihren paar Gramm im hohlen Schuhabsatz, konnte den Markt nicht mehr gefährden. Schon gar nicht, wenn Kemals Schicksal ihnen zur Warnung diente …
»Vergiß Kemal nicht!« sagte der Wortführer, als könne er Gedanken lesen.
»Wir werden uns um ihn kümmern.« Petrescu holte aus einem kleinen Tresor ein Scheckbuch und füllte einen Barscheck aus. Im gleichen Augenblick drehten die drei Kurden an ihren Kofferschlössern und öffneten die Deckel. Dreimal vier Kilo reinstes H Nr. 4, in Plastiktüten geruchsicher eingeschweißt, stapelten sich auf Petrescus Tischplatte. Petrescu schüttelte wieder den Kopf.
»Ihr seid wirklich verrückt!« sagte er mit belegter Stimme. »Wie habt ihr die hereingebracht?!«
»In diesen Taschen!« sagte der Kurde. »Wir haben einen Diplomatenpaß. Wir sind Mitglieder der Türkischen Nato-Delegation in Brüssel.« Er lächelte unter seinem gewaltigen buschigen Schnauzbart. Die Augen in dem wetterzerfurchten Gesicht glitzerten. »Wenn Kurdistan ein eigenes Land sein wird, wirst du unser Generalkonsul in Frankfurt, Petro-Bruder. Wir danken dir.«
Ein paar Minuten später saß Petrescu wieder allein in seinem eleganten englischen Büro und hatte die siebzehn Dollarhälften vor sich liegen. Die ersten Kuriere sollten übermorgen eintreffen, die letzten in zehn Tagen. Dann hatte er 132 Kilo 90prozentiges H auf Lager, genug, um schlagartig den Markt an den Brennpunkten zu besetzen: Frankfurt – Hamburg – Berlin – München – Düsseldorf – Hannover – Bremen – Stuttgart – Nürnberg. Und Duisburg als Tor zum gesamten Ruhrgebiet.
Die Dope-Szene in einer Hand. Der Schnee-Kaiser.
Petrescu schloß die siebzehn Dollarhälften wieder ein und griff zum Telefon. Irgendwo in dieser Stadt Frankfurt, in der nichts mehr unmöglich war, meldete sich eine gelangweilte Stimme: »Gebäude- und Fassadenreinigung ›Blitzblank‹. Bottreck am Apparat.«
»Gib mir mal Wiesnack.«
»Wer spricht?«
»Frag nicht so dämlich. Ich will Wiesnack haben!«
Es knackte ein paarmal, dann meldete sich eine noch jugendlich klingende Stimme: »Wiesnack.«
»Makaroff.«
»Ich höre Ihre Stimme gern. Brauchen Sie einen Fensterputzer?«
»Es gibt da einen Flecken, der muß entfernt werden. Er sieht so häßlich aus.«
»Wir verwenden nur die besten Fleckenmittel.«
»Kemal Özdogan. Ein Türke. Adresse unbekannt. Rauschgifthändler.«
»Ein hartnäckiger Flecken, Herr Makaroff …«
»Die doppelte Taxe.«
»Wir werden uns bemühen.«
Petrescu legte auf. Es lohnte sich nicht mehr, weiter über Kemal nachzudenken. Die Zukunftsaussichten berauschten Petrescu geradezu. Er holte sich aus der kleinen ausklappbaren Bar ein großes Glas Kognak und setzte sich mit ihm an das Panoramafenster.
Frankfurt lag unter ihm. Das Bankenviertel mit seinen kühnen Wolkenkratzern, die Skyline am Main, der Fluß und drüben Sachsenhausen und das Äppelwoi-Viertel. Ein bleicher Dunst lag über der Stadt: von der Sonne durchweichte Wolken aus Abgasen und gesättigter Luft.
Petrescu war nie sentimental, selbst nicht in Bettinas Armen. Aber in diesen Minuten, da er still am Fenster sitzend mit kleinen
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