Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Ravenna, jedenfalls irgendwo in Oberitalien. Er kommt morgen früh zurück. Was verlangst du für die Negative?«
    »Dich!«
    Es war eine klare Forderung. Ein Preis, den man nicht mehr herunterhandeln konnte.
    »Laß uns darüber reden, Petro …«
    »Dich. Und ohne Betäubung, Maria. Ich will dich, bei vollem Bewußtsein, mit ganzer Seele, bei klarem Verstand.«
    »Wann?« fragte sie mit schwerer Zunge.
    »Du sagst zu?« rief Makaroff.
    »Ich werde kommen.«
    »Um 20 Uhr hole ich dich ab.«
    »Hier in Sachsenhausen? Bist du verrückt?! Ich warte auf dich im ›Frankfurter Hof‹. In der Halle.«
    »Einverstanden. Ich bestelle im Schloßhotel Kronberg unser Zimmer.«
    Maria Barrenberg legte auf. Sie blieb auf dem Hocker sitzen, preßte die Hände flach gegen ihr Gesicht und erwartete von sich, daß sie sich schämte. Aber das Gefühl stellte sich nicht ein. Statt dessen dachte sie: Was ziehe ich an? Welchen Lidschatten und welchen Lippenstift nehme ich? Soll ich mir auch die Unterlider dunkel umranden? Noch habe ich zwei Stunden Zeit, es könnte noch für eine schnelle Gesichtspackung reichen. Meine Haut ist straff und fast fältchenfrei – fast. Mit 45 Jahren darf man ein paar Krähenfüßchen haben. Soll ich sie mit Make-up zuschmieren?
    Sie erhob sich, ihre Unterlippe bebte, sie ging die Treppe hinauf und klopfte bei Monika an.
    »Spätzchen!« rief sie. »Störe ich?«
    »Ein bißchen, Mami. Ich mache Mathe.«
    »Bei Frau Direktor Eppenkamp ist heute eine Soiree. Da muß ich hin, schon wegen Papa, weißt du. Eppenkamp will die Fabrik erweitern; Papa soll die Entwürfe machen. Es kann spät werden, vielleicht schlafe ich auch bei Eppenkamps und komme erst morgen heim. Ich weiß es noch nicht. Du weißt ja, ich fahre nicht gern mit Alkohol. Spätzchen?«
    »Ist schon gut, Mami.«
    »Brauchst du mich noch?«
    Eine Sekunde Schweigen. Dann kam die erhoffte Antwort: »Nein, Mami. Es ist alles in Ordnung. Viel Vergnügen!«
    Maria Barrenberg atmete auf und ging in ihr Schlafzimmer. Dort zog sie sich aus, hockte sich auf das Bett mit dem Spitzenhimmel und schlug die Arme um sich, als friere sie.
    Viel Vergnügen, Mami … So kindlich ahnungslos und zutraulich. So unbekümmert. So sorglos. Viel Vergnügen, Mami. Bin ich jetzt ein schlechter Mensch? fragte sich Maria Barrenberg. Bin ich besser als eine Hure? Ich sitze hier nackt und bereite mich auf einen anderen Mann vor. Ich werde mich baden, parfümieren, eincremen, schminken, in ein besonders schönes Kleid schlüpfen, ich werde mit klopfendem Herzen wegfahren zu einem heimlichen Treffen und weiß, daß im Kronberg ein Zimmer für uns bestellt ist. Ich fahre hin und weiß, was geschehen wird …
    Viel Vergnügen, Mami.
    Sie kam sich erbärmlich vor, verachtenswert. Nur ein Gedanke brachte ihr ein wenig Trost: Die Negative. Ich will die Negative haben. Ich werde sie ihm abkaufen mit dieser Nacht! Und dann wird alles gut sein, alles so wie früher. Dann sind wir wieder eine glückliche Familie. Die sind wir doch! Keiner weiß und keiner wird es je erfahren, daß ich einmal ausgerutscht bin.
    Kurz nach 19 Uhr fuhr Maria Barrenberg mit ihrem kleinen Sportwagen in die Stadt. In ihrem Abendtäschchen aus Goldplättchen lagen ein Lippenstift, ein winziger Parfümspray, ein hauchdünnes Taschentuch, eine Make-up-Dose und eine kleine Pistole mit Perlmuttgriff. Sie sah wie ein Spielzeug aus, aber auch ihre Kugel, wenn sie die richtige Stelle traf, konnte tödlich sein.
    Nicht gerade stimmungsfördernd für einen Tag und eine Nacht, die man voll der Liebe widmen will, ist das Warten auf einen unbekannten Nebenbuhler, der jede Minute in die erotische Idylle hineinplatzen kann. Eduard Barrenberg hatte für diesen Fall vorgesorgt. Während Bettina in seinen Armen etwas verkrampft und nicht so bedingungslos wie sonst reagierte und einen geradezu erschöpften Eindruck machte, lag auf dem Nachttisch unter der venezianischen Lampe seine geladene und entsicherte Pistole.
    Auch Barrenberg empfand diese Nachbarschaft als ein wenig beklemmend. Er war zu nicht viel mehr in der Lage, als seinen Besitzanspruch zu demonstrieren, das Recht des Platzhirsches wahrzunehmen, zu bekunden, daß er der Sieger war.
    Ob Barrenberg wirklich der Sieger war, wagte er selbst nicht zu entscheiden. Bettina weigerte sich aus unerfindlichen Gründen immer noch, den Namen des anderen Mannes zu nennen. Sie hatte Angst, tierische Angst, das sah Barrenberg. Die Mißhandlungen, die sie erduldet hatte, bis sie

Weitere Kostenlose Bücher