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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nicht mehr zurecht. Tut mir leid. Ich bin kein Engel mehr, ich habe mit Freddy geschlafen, ja, und ich mache mir gleich einen Druck, weil ich es nicht aushalten kann – aber ich frage mich immer: Warum muß das alles so sein? Warum sind wir alle so morsch?! Warum betrügen wir uns gegenseitig immer und immer wieder? Können wir ohne Lüge und Betrug gar nicht mehr leben?
    Eine halbe Stunde später. Mama ist weg, ich habe gehört, wie sie losfuhr. Ich hätte ihr heute, gerade heute so vieles sagen wollen, ich habe so viele Fragen, so viele Sorgen. Aber mit keinem kann man sprechen, keiner gibt einem Antwort.
    Ich habe mir einen Schuß gegeben. Fast bin ich schon ein Fachmann, ich mische und koche wie ein alter Fixer, habe das richtige Quantum schon im Gefühl, empfinde unbeschreibliche Freude, wenn die Nadel in die Vene gleitet und der erste Ruck durch den ganzen Körper fährt. Dann hat der Druck gesessen, dann war das Dope gut. Und dann wartet man ein wenig, bis die Welt sich verändert und alle Probleme gar keine Probleme mehr sind, sondern Seifenblasen, die man aufstechen kann.
    Ich bin direkt fröhlich, verdammt! Ich könnte jetzt in eine Disko gehen, herumtoben und mir einen Typ ins Bett holen! Eine tierische Lust habe ich dazu! Aber ich muß noch die Mathe für morgen machen und die Soziologie für Dr. Bahrfeld. Studien-Assessor Dr. Bahrfeld, 30 Jahre alt. Ein irrer Typ mit langen Beinen und blonden Locken. Die ganze Klasse ist in ihn verliebt. Elke will ihn beim Abschluß-Ausflug – es soll nach Stratford-on-Avon, wegen Shakespeare, gehen – vernaschen. Die schafft das. Neulich trug sie einen hochrutschenden Rock – und darunter nichts. Dr. Bahrfeld konnte den Blick nicht von ihr wenden … Versprach sich mehrmals bei seinem Vortrag. Zeigte Wirkung.
    Ich bin richtig happy! Der Schuß war fabelhaft! Ich leg mir gleich eine Platte auf, so was ganz Irres, und rocke durch die Bude. In eine Disko gehe ich erst wieder in drei Wochen, wegen Freddy. Kann sein, daß sie sich dort erkundigt haben und dann auf mich kommen. Da hat Makaroff recht. Überhaupt Makaroff. Ich muß bald wieder zu ihm. Der Vorrat an H reicht noch für drei Nadeln. Was dann? Makaroff wird bestimmt gute Dope haben. Ich kann diesen Kerl nicht leiden, aber ich werde ihn brauchen. Wo er bloß wohnt?! Ich habe keine Erinnerung mehr an die klotzige Wohnung. Irgendwo am Main. Ganz oben, so eine Art Penthouse. Oder nicht? Ich weiß es nicht mehr. Aber ich hoffe, daß er sich von selbst meldet. Ich habe gesehen, wie geil er auf mich ist. Aber da läuft nichts. Er ist mir widerlich.
    Hier brach das Tagebuch ab. Das Telefon klingelte neben Monikas Bett. Bevor Maria Barrenberg gegangen war, hatte sie den Apparat zu ihrer Tochter umgestellt.
    Monika, die gerade ihre irre Platte aufgelegt hatte und mit im Nacken verschränkten Händen und geschlossenen Augen herumgetanzt war, blieb stehen und starrte das Telefon feindselig an. Wer rief kurz nach 23 Uhr noch an? Makaroff?
    Sie stellte den Plattenspieler leiser, hob ab und sagte ungnädig: »Gucken Sie mal auf die Uhr!«
    »Genau 23 Uhr, 9 Minuten und – boiing – zehn Sekunden. Hier ist Holger.«
    »Holger!« Das war fast ein Aufschrei. Monika lehnte sich gegen die Wand und zerwühlte ihr Haar. Ihr Atem flog noch vom Tanz, aber Holgers Stimme machte, daß sie sich leicht, befreit von allem Ballast fühlte und in der Stimmung, alles zu umarmen. »Holger! Wie schön, daß du anrufst. Wo bist du? In einer Disko?«
    »Nein, bei einem Freund. Ich stecke mitten in einer chemischen Arbeit. Mir brummt der Schädel.« Das war die Wahrheit, denn Holger Mahlert saß im Bett, hatte starke Antibiotika geschluckt und war soeben mit einer Sulfonamid-Salbe eingerieben worden. Die Wundränder waren noch stark gerötet, aber Peter Roßkauf hoffte, die beginnende Infektion unter Kontrolle zu bekommen. Holger empfand seinen Kopf wie einen Mehlsack, der den Hals eindrückte. Nur mit Drohungen hatte er von Roßkauf die Erlaubnis zu einem kurzen Gespräch erpreßt. Der Freund saß mit einem zweiten Hörer daneben und nahm an dem Gespräch teil. »Wie geht es dir, Monika?«
    »Blendend! Hörst du die Platte? Irre, sag ich dir …« Sie hielt den Hörer einen Augenblick zum Plattenspieler. »Warum rufst du an?«
    »Warum wohl?« sagte Holger Mahlert. »Ich möchte dich wiedersehen.«
    »Ja?«
    »Ich glaube, es ist nötig, daß wir uns sehen.«
    »Ja …« Und plötzlich brach es aus ihr heraus. Sie umklammerte mit beiden Händen

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