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Eine angesehene Familie

Eine angesehene Familie

Titel: Eine angesehene Familie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fotografieren.«
    »Wo sind die restlichen sechs Negative?« fragte sie kalt.
    »In der unteren Reißverschluß-Innentasche meiner Jacke.«
    »Das war meine letzte Frage, Petro! Wenn du wieder gelogen hast …«
    »Sieh nach, überzeuge dich!«
    Er erwartete, daß sie sofort zu dem Rock lief, der über einer Stuhllehne hing. Aber wie ein Profi ging sie rückwärts, behielt ihn im Visier und suchte mit der Linken in seiner Jackentasche, während die Rechte die Waffe auf ihn gerichtet hielt. Makaroff begriff: Es gab kein Ausbrechen aus der Gefahr. Maria benahm und bewegte sich, als sei es ihr Beruf, Menschen zu töten. Ihre Nacktheit in dieser Situation steigerte alles zu einer schrecklichen Groteske.
    Diesmal hatte Makaroff nicht gelogen. Maria Barrenberg fand den Filmstreifen in der Innentasche und hielt ihn neben die Pistole. Es waren die fehlenden sechs Aufnahmen.
    »Zufrieden?« fragte er.
    »Nein!«
    »Was willst du denn noch?« In ohnmächtiger Wut hockte er auf dem Bett und kam sich lächerlich vor.
    »Die Abzüge aus deinem Tresor.«
    »Aber bitte! Nur – wer garantiert dir, daß ich sie alle abliefere!«
    »Du!« Sie verzog den Mund zu einem zitternden Lächeln. »Man kann von den Negativen Ausschnittvergrößerungen machen. Zum Beispiel solche, die nur den nackten Petro Makaroff zeigen. Und man könnte dieses Bild an gewisse Zeitungen verkaufen. Die Hobbys eines Millionärs – das wäre ein guter Titel.«
    »Ich habe dich gründlich verkannt.« Makaroff ballte die Fäuste. Nichts war abträglicher für seinen Beruf, als plötzlich im Mittelpunkt der Öffentlichkeit zu stehen. Wenn jeder Mann sein Gesicht kannte, wurde es gefährlich. Das Geschäft mit den Kurden konnte daran zerbrechen – mehr noch: Es konnte den Kurden einfallen, ihn auf dieselbe Liste zu setzen wie Kemal Özdogan. Makaroff fröstelte. Die Spezialisten der ›Gebäudereinigung‹ waren bereits unterwegs, Kemals geheime Adresse zu erforschen. In absehbarer Zeit würde man ihn irgendwo in oder bei Frankfurt finden. ›Neues Opfer der Unterwelt‹, würden die Zeitungen schreiben.
    »Du bist wahrhaftig ein Aas!« sagte Makaroff dumpf. »Wer hätte das gedacht? Die sanfte, nach Unschuld duftende Maria. Das Blümchen im Schatten. Was für verborgene Talente kommen da zum Vorschein!«
    Sie nickte, aber sie dachte dabei: Wenn du wüßtest, wie groß meine eigene Angst ist. Wenn du wüßtest, woher ich diese ›Routine‹ habe, du würdest dich vor Lachen krümmen! Alles, was ich hier tue, hat es schon mal gegeben. Ich habe es gesehen und mich jetzt daran erinnert. Ein amerikanischer Fernsehfilm, ich habe ihn zufällig gesehen, aus Langeweile. Es klingt idiotisch, ich weiß. Aber ich hatte Erfolg damit, ich habe die Negative, ich habe Makaroff vor Angst fast sterben sehen, und vor allem: Ich habe meine Familie gerettet! So simpel ist das alles, so erbärmlich lächerlich. Ich spiele einen Fernsehfilm nach – und ein Gauner zittert vor Todesangst.
    Sie ging rückwärts zum Badezimmer, stieß die Tür auf, huschte hinein und riegelte ab. Im selben Augenblick hechtete Makaroff aus dem Bett. Er trug nie eine Waffe bei sich, aber das würde sich ändern, das schwor er sich. Seine Niederlage, diese schmähliche Kapitulation vor einer Frau, von der er geglaubt hatte, ihr ganzes Wesen sei nur Unterwürfigkeit und Angst, war auch eine verlorene Schlacht gegen Eduard Barrenberg. Daran änderte nichts, daß Maria zweimal aus ihrer bürgerlichen Geborgenheit ausgebrochen war und in seinen Armen gelegen hatte. Mit den Negativen konnte sie beweisen, daß Makaroff sie willenlos gemacht hatte, und diese heutige Nacht würde ihr sogar Barrenberg verzeihen, weil sie einen Sieg über Makaroff bedeutete. Er war in eine ganz simple Falle getappt, und das ärgerte ihn, den eiskalten Rechner, am meisten.
    Keinen Augenblick zweifelte Makaroff am Ernst der Situation, in der er sich bis vor wenigen Minuten befunden hatte. Maria Barrenberg war wirklich bereit gewesen, die Pistole abzudrücken, als allerletzte Konsequenz, die ihr auch die Sympathie der ganzen Welt gesichert hätte, wenn es zum Prozeß gekommen wäre.
    Makaroff zog sich an, trank einen Schluck Champagner aus der Flasche. Der ›Fall Maria‹ war für ihn erledigt. Selbst wenn er Barrenberg wirklich ein paar Abzüge schicken würde, die Familie würde daran nicht zerbrechen. Die große Ehetragödie spielte sich nicht ab. Im Gegenteil: Maria würde die bewunderte Heldin sein. Barrenberg aber würde wissen,

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