Eine angesehene Familie
verschluckte den Rest des Satzes und sah zu Boden.
Makaroff blickte sie mit herrlich gespielter Verwunderung an. »Glaubst du, ich betrüge dich?«
»Ja!«
»Und wer garantiert mir deine Gegenleistung – um bei dem häßlichen Geschäftsdeutsch zu bleiben?«
»Ich habe noch nie mein Wort gebrochen. Doch jetzt tue ich es. Ich habe Treue geschworen, als ich Eduard heiratete. Aber jetzt bin ich in einer Zwangslage. Du kannst beruhigt sein. Der – der Warenaustausch findet statt!«
Auf der Fahrt nach Königstein sprachen sie kaum ein Wort miteinander. Makaroff hatte das Autoradio angestellt, der automatische Sendersuchlauf fand ein Klavierkonzert. Rachmaninoff, Emil Gilles am Flügel.
»Muß das sein?« fragte Maria gequält.
Makaroff blickte sie kurz an. »So nervös? Ich schiebe eine Kassette ein. Was darf es sein? Tanzmusik der 30er Jahre? Swing? New-Orleans-Jazz? Alles vorhanden.«
»Nichts!« sagte sie hart. »Gar nichts.« Ihr Profil wirkte wie versteinert. Sie preßte ihre Abendtasche gegen ihren Schoß und fühlte durch die Goldpailletten den Umriß der kleinen Pistole. »Musik ist etwas Schönes, Edles. Das gehört nicht hierher.«
Makaroff zuckte mit den Schultern, konzentrierte sich auf die Fahrt und sah Maria erst wieder an, als sie auf der Landstraße waren, die in den Taunus führte.
»Sollen wir einen Umweg über Schloß Mespelbrunn machen?« fragte er.
Sie blickte starr geradeaus, die Hände über ihrem Täschchen gefaltet. »Von mir aus.«
»Es soll dir Spaß machen!«
»Spaß?« Ihr Rücken straffte sich. »Mir ist alles gleichgültig.«
Sie fuhren nicht nach Mespelbrunn. Königstein erreichten sie bei Einbruch der Nacht. In einem rustikalen Restaurant aßen sie, fuhren dann zum Hotel und gingen auf ihr Zimmer. Es war ein diskretes Hotel; man verlangte keine Eintragung, auf dem runden Tisch im Zimmer stand eine Flasche Champagner im Eiskübel und eine üppig gefüllte Obstschale aus Kristall.
Maria Barrenberg ließ es über sich ergehen, daß Makaroff sie küßte, mit beiden Händen über ihren Körper strich und mit vibrierender Stimme sagte: »Ich bin so glücklich …« Vielleicht meinte er es sogar ehrlich.
Sie blieb mitten im Zimmer stehen, betrachtete das französische Bett, das einladend aufgeschlagen war, bemerkte, daß der große Standspiegel genau die Breitseite des Bettes wiedergab also nicht allein zur Kontrolle des Anzugs aufgestellt war. Makaroff band seine Krawatte ab, hängte den Rock über eine Lehne und ließ sich in den Sessel fallen.
»Wo sind die Negative?« fragte Maria hart.
»Zuerst einen Schluck Champagner, mein Liebling!«
»Die Negative!«
Makaroff stieß einen Seufzer aus, griff in die Rocktasche und warf das Kuvert neben den Sektkühler. »Zufrieden?«
Maria gab keine Antwort. Sie zog die fünf Filmstreifen aus dem Kuvert und hielt sie gegen das Licht. Obgleich auf den kleinen Negativen mehr zu ahnen als zu sehen war, lief ein Schauer über ihren Rücken. Sie erkannte die Umrisse, die Situationen …
Mit versteinertem Gesicht steckte sie das Kuvert in ihre Abendtasche, neben die kleine Pistole mit dem Perlmuttgriff. Dann ging sie ins Badezimmer und verriegelte hinter sich die Tür. Mit einer Nagelschere zerschnitt sie die Streifen und spülte sie in der Toilette weg. Sie starrte dem gurgelnden Wasserstrudel nach und bediente noch dreimal den Druckspüler. Dann setzte sie sich auf einen fellbezogenen Hocker und schloß die Augen.
Der Gegenwert war fällig. Fast mechanisch zog sie sich aus, besprühte ihren nackten Körper mit Parfüm, legte ihre Ringe – auch den Trauring – in eine Glasschale über dem Waschbecken, nahm das goldene Medaillon mit dem Kettchen vom Hals und war nun entblößt von allem – bis auf die Abendtasche aus Goldplättchen. Auch die hatte sie geleert, bis auf die Pistole. Sie stand vor dem Spiegel und betrachtete sich in ihrer weißhäutigen Schönheit.
Ein Vergleich fiel ihr ein: Judith geht zu Holofernes. Oder Madame Corday zu Marat. Dem einen wurde im Liebesbett der Kopf abgeschnitten, der andere wurde im Bad erstochen. Sie würde Makaroff erschießen. Ich muß mich nicht schämen, dachte sie. Ich habe berühmte Vorbilder. Judith rettete ihr jüdisches Volk, die Corday die französische Revolution. Um so viel geht's bei mir nicht – aber mir ist es wichtiger als alles andere: Ich rette meine Familie!
Maria Barrenberg griff in das Täschchen, legte den Sicherungsflügel der Pistole herum und machte sie damit
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