Eine angesehene Familie
daß er in einem gnadenlosen Vernichtungskampf stand, während er jetzt noch darauf hoffte, in einer persönlichen Konfrontation mit seinem Gegenspieler alle Probleme lösen zu können. Eine Begegnung aber wollte Petrescu-Makaroff auf jeden Fall vermeiden.
Es wäre einfach für ihn gewesen, Barrenberg in die Kundenkartei der ›Gebäudereinigung‹ eintragen zu lassen. Aber das wäre eine zu schnelle Bereinigung gewesen. Petrescu wollte das Spiel, das grausame Spiel der Katze, die eine Maus aus den Krallen läßt, ihr die Illusion der Freiheit schenkte, sie wieder einfängt und mit jedem neuen Hieb ein Stückchen Leben aus ihr schlägt, bis sie zu Tode geschunden liegenbleibt und der letzte Biß eine Erlösung ist. Genauso sollte es Eduard Barrenberg ergehen: Zunächst ahnungslos, dann wissend und sehend, sollte er wie eine Maus nach einem Ausweg suchen und doch immer wieder in die Krallen fallen.
Makaroff hob den Kopf. Im Badezimmer rauschte ein paarmal die Toilettenspülung. Maria vernichtete die sechs letzten Negative, nachdem sie die Bilder gegen das Licht am Spiegel gehalten und noch einmal genau betrachtet hatte. Es waren die gemeinsten Fotos der Serie; ihr wurde übel bei ihrem Anblick, sie mußte sich auf den Badehocker setzen und ekelte sich plötzlich vor ihrem eigenen Körper, der zu so etwas fähig gewesen war. Erst nach Minuten fühlte sie sich in der Lage, auch diesen Streifen mit der Nagelschere zu zerschneiden und die Schnipsel wegzuspülen.
Als sie angezogen zurück ins Schlafzimmer kam, saß Makaroff, ebenfalls korrekt bekleidet, am runden Tisch und rauchte. Er blickte auf die Pistole, die Maria wieder in der Hand hielt, und schüttelte den Kopf.
»Ich habe keine Negative mehr«, sagte er. »Steck endlich das dumme Ding weg! Oder willst du mit mir nur noch unter Feuerschutz sprechen?«
»Wir werden nie mehr miteinander sprechen!«
»Den Eindruck habe ich auch.« Makaroff zeigte auf die Champagnerflasche. »Sie ist noch halb voll. Stoßen wir an auf deinen Erfolg!«
»Nachdem du wieder K.o.-Tropfen ins Glas getan hast?«
»Du kannst aus meinem Glas trinken.«
»Ich verzichte.« Sie ging zur Tür, wo ihr Trenchcoat hing, warf ihn über die Schulter und schloß die Tür auf.
»Wo willst du hin?« fragte Makaroff.
»Nach Hause. Ich nehme ein Taxi.«
»Jetzt? Um 2 Uhr nachts?«
»Es wird doch auch in Königstein um diese Zeit ein Taxi geben.«
»Ich bringe dich nach Hause.«
»Bleib sitzen!« Sie hob die Pistole. »Komm mir keinen Schritt näher!«
Makaroff gehorchte. »Du benimmst dich lächerlich, Maria. Fürchtest du, ich könnte dir den Hals umdrehen?«
»So ähnlich.« Sie legte eine Hand auf die Türklinke. »Ich wünsche dir ein Ende, das selbst deine gemeinsten Phantasien übertrifft.«
»Wir treffen uns wieder«, sagte Makaroff.
»Das solltest du verhindern.« Sie blickte ihn groß an, und er war sich im klaren, daß sie die volle Wahrheit sagte. »Ich habe nichts mehr zu verlieren – wenigstens das hast du fertiggebracht. Mein Mann, mein Kind, meine Ehe; das sind Werte, die du nie begreifst. Für mich sind sie etwas Heiliges. Aber ich kann mich auch von ihnen lösen, wenn ich dich dadurch vernichten kann! So weit hast du mich gebracht. Das muß dich doch stolz machen! Ich rate dir, Petro Makaroff: Lauf mir nicht noch einmal über den Weg!«
Sie verließ das Zimmer und drückte die Tür leise hinter sich zu, um die Hotelgäste nicht zu wecken. Wie wären sie hochgefahren, wenn sie die Schüsse gehört hätten … Makaroff blieb sitzen und rauchte seine Zigarette zu Ende. Dann leerte er die Champagnerflasche und griff zum Telefon. Es war kurz nach halb drei. Maria mußte eine Taxe bekommen haben.
Makaroff wartete. Dann hörte er die Stimme, die genauso klang, wie er es erwartet hatte, aus tiefem Schlaf gerissen.
»Ich bin es«, sagte er. »Wie geht es dir?«
Bettina schrak hoch, als neben ihrem Kopf das Telefon klingelte. Eduard Barrenberg lag auf der Seite, schnarchte leise, hatte die Hände zum Bett hinausgestreckt und schien auch im Schlaf rundum zufrieden. Die vergangenen Stunden hatten ihm die Erfüllung aller Wünsche beschert, ohne Zeitdruck und ohne die lästige Zeremonie des Wiedersehens hatte er es endlich genossen, Bettina nicht nur ›leihweise‹ zu besitzen, sondern als sein Eigentum festzuhalten. In ihren Armen war er eingeschlafen, hatte ihre Wärme, ihre Haut, ihre Weichheit gespürt und in den Traum die Erkenntnis mitgenommen, daß die vollkommene Hingabe
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