Eine angesehene Familie
…«
»Was heißt Bekannter?«
»Ist das ein Verhör?«
»Stell nicht so dusselige Fragen!«
»Ich darf doch wohl mit 18 Jahren Bekannte haben. Auch Männer!« sagte Monika in einer sie selbst überraschenden Aufsässigkeit. Auch Barrenberg schien verblüfft zu sein. Er schwieg einen Moment, dann brüllte er ins Telefon:
»Was du darfst, das sage ich dir: Du darfst noch bei mir von einer Hand in die andere fliegen, wenn du frech wirst! Auch wenn du schon Großmutter bist und ich Urgroßvater! Mit achtzehn hängt dir noch der Rotz unter der Nase! Also, wer ist Holger Mahlert?! Wenn du mir keine Auskunft gibst, scheiß' ich ihn gleich auf der anderen Leitung zusammen!«
»Wenn du das tust, Papa –«
»Was dann, he? Stellst du deinem Vater ein Ultimatum? Das habe ich gern. Streckt die Beine unter meinen Tisch, lebt aus meiner Tasche – aber renitent werden! Überschrift: Moderne Jugend! Melkt die Alten, aber sonst tretet sie in den Hintern! Nicht mit mir! Hier bestimme ich, solange ich eure Ärsche am Kacken halte!«
»Er ist Student der Chemie«, sagte Monika. Sie war es leid, sich mit ihrem Vater über die moderne Jugend zu streiten. Für Barrenberg war das ein abendfüllendes Thema, er konnte dann so ausfällig werden, daß er die Sprache seiner Bauarbeiter noch übertrumpfte, die gewiß nicht zimperlich war. Die heutige Jugend – das war für Barrenberg der Beweis für die Notwendigkeit einer starken Hand, der Beleg für den Konkurs der Demokratie.
»Wer?« fragte Barrenberg verblüfft. Er hatte sich ganz auf einen Disput mit seiner Tochter eingestimmt.
»Holger Mahlert. Wer sonst?«
»Akademiker?«
»Wenn er seinen Doktor machen will, muß er das wohl sein.«
»Warum ruft er an?«
»Ich vermute, das will er mir sagen.«
»Woher kennt ihr euch?«
»Vom Tennis.« Sie log mit einer Gewandtheit, die sie selbst bewunderte. »Aber frag ihn doch selbst!«
»Weshalb? Meine Tochter hat mich noch nie belogen. Ich vertraue ihr voll. Wenn sich das ändern sollte, bitte ich um Mitteilung. – Spätzchen?«
»Ja, Papa?« Monika starrte ins Leere. Er vertraut mir. Er wird nie glauben, daß ich ihn belügen könnte. Er erwartet Ehrlichkeit – er, der nur noch lügt! Oh Himmel, ist das furchtbar! Ist das unerträglich! Wie kann ein Mensch sich so aufspalten?
»Soll man diesen Holger Mahlert mal zu uns einladen?«
»Warum?«
»Zum Abendessen. Zu einem gemeinsamen Theaterbesuch. Oder Mama gibt ein Klavierkonzert. Sonaten und Nocturnes. Wenn er dabei einnickt, ist mir der Junge sofort sympathisch.«
»Papa!«
»Ich möchte ihn kennenlernen. Ich möchte wissen, mit wem meine einzige Tochter, mein Spätzchen, mein Kikak, ihre Freizeit verbringt.«
»Darum hast du dich früher nie gekümmert.«
»Eben drum! Aber du hast mich gerade daran erinnert, daß du achtzehn bist! Und da wird es allerdings erforderlich, daß ich mich für deine Bekanntschaften interessiere.«
»Ich sehe das völlig anders …«
»Natürlich. Das mußte ja kommen! Die moderne Jugend mit ihrem Drang nach absoluter Freiheit! Nur Rechte, aber keine Pflichten!«
»Papa! Fang nicht schon wieder damit an! Bitte, schalte um. Was soll denn Holger denken, wenn er so lange warten muß!«
»Wenn er ein Junge mit Geist und Bildung ist, wird er sich denken könne, daß jeder Vater ein großes Informationsbedürfnis hat, wenn es um seine Tochter geht. Also gut, ich schalte jetzt um.«
Es knackte zweimal, dann rauschte es im Apparat.
»Holger! Wie schön, dich zu hören!«
Mahlerts Stimme klang frei und frisch. Er hatte vor einer Stunde eine neue Infusion bekommen; sie hatte ihn sehr gekräftigt. Peter Roßkauf hatte die Stichwunde mit Antibiotika ausgewaschen und eine kleine Drainage gelegt, aus Vorsicht, falls sich wirklich Eiter ansammeln sollte. Auf den wiederholten Vorschlag, doch noch in eine Klinik zu fahren, hatte Mahlert nur mit Sturheit reagiert. »Wo warst du, Monika? Ich wollte schon auflegen.«
»Papa hatte mir noch etwas zu sagen …«
»Heute mittag?«
»Mittag?« Monikas Herz schlug schneller. Sie verstand die Frage nicht, aber sie fürchtete sofort, Holger könnte sie mit Makaroff gesehen haben. »Wieso mittag?«
»Ich wollte dich von der Schule abholen. Du warst nicht da.«
»Ach das?!« Sie lachte hell. Es war wirklich eine Befreiung für sie. »Ich habe heute geschwänzt. Hatte einfach keine Lust. Das Abitur habe ich so gut wie in der Tasche. Was wir jetzt machen, hat wenig Einfluß auf die Noten. Ist fast alles nur
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