Eine angesehene Familie
kerngesund, was seinen Hausarzt total frustrierte. »Wie wird's weitergehen, Kollege Döhrinck?« sagte er. »Was meinen Sie? Bekommen wir jetzt einen knalligen Bandenkrieg nach Frankfurt?«
»Nein!« antwortete Döhrinck.
»Sie enttäuschen mich.«
»Das war ein Einzelfall. Wäre Kemal ein Chinese gewesen …«
»Bloß das nicht!« Engelbrecht hob beide Hände. »Ich kann nicht gut 700 Millionen kontrollieren!«
Döhrinck lachte. »Auf der Rauschgiftszene spielen jetzt die Türken die erste Geige«, sagte er und klopfte seine Taschen nach einer Zigarette ab. »Und in dieser Gruppe vor allem die Kurden. Sie haben den Handel aus dem Goldenen Dreieck, der in chinesischer Hand war, aus Deutschland verdrängt. Die Asiaten bearbeiten jetzt in Europa nur noch Frankreich und England, vereinzelt die nordischen Staaten. Ihr Hauptgeschäft ist der amerikanische Kontinent, Vorderasien und Südamerika. Mitteleuropa ist für sie verloren. Warum sollten sie also einen Türken umlegen? Nein, dieser Feuerüberfall galt nur Kemal und kommt aus den eigenen Reihen. Es muß eine Bestrafung sein. Özdogan hat irgendein krummes Ding gedreht, und der große Boß im Hintergrund hat den Daumen nach unten gestreckt. Ich glaube, wir haben jetzt wieder Ruhe.«
»Ihre Nerven möchte ich haben!« sagte Engelbrecht bitter. »Ich habe die Morde am Hals. Wo soll ich ermitteln? Der blaue BMW war natürlich geklaut. Stand später friedlich an der Zeppelin-Allee. Kollege Döhrinck, was wissen Sie von dem großen Boß?«
»Nichts!« sagte Döhrinck und hob die Schultern. »Sehen Sie mich nicht so kuhäugig an, Engelbrecht. Ich weiß nichts. Ich weiß nur, daß es ihn gibt, daß er da ist, daß er mitten unter uns in Frankfurt sitzt. Das ist ja das Elend: Wissen und doch nichts wissen!«
Gegen 18 Uhr klingelte in dem vornehmen Büro auf der 14. Etage des Hochhauses in der Frankfurter City das Telefon. Die Sekretärin verband weiter. George Petrescu hob ab.
»Die Fenster sind sauber geputzt!« sagte eine freundliche Stimme. »Ich hoffe, Sie sind mit unserer Firma zufrieden.«
»Der Scheck liegt für Sie bereit.«
»Bargeld bitte.«
»Natürlich.«
»Ein Bote ist in zwanzig Minuten bei Ihnen. Wir stehen Ihnen immer gern zu Diensten. Ihre Gebäudereinigung.«
Petrescu lehnte sich in seinen dicken Ledersessel zurück und faltete die Hände. Der Weg war frei. Er hatte bewiesen, wie schnell und sicher er arbeiten konnte. Das große kurdische Geschäft gehörte ihm. Der Drehpunkt für ganz Mitteleuropa. Ein jährliches Volumen von 400 bis 600 Millionen! Jeder H-Schuß im Kernland Europas klingelte in Petrescus Kasse wider. Er war der unsichtbare stumme Herrscher geworden.
Mit leicht bebenden Fingern – er hatte ein Recht, jetzt erregt zu sein – drehte er die Wählscheibe und rief Bettina bei Bieringer an. Ihre Stimme klang gehetzt. Fünf Minuten vorher hatte sie mit Barrenberg gesprochen. Er hatte von der Baustelle angerufen und ihr mitgeteilt, daß der Bungalow in drei Wochen bezugsfertig sein würde. Nächste Woche sollte man gemeinsam die Möbel aussuchen. Lampen, Teppiche, Gemälde … Nur das Beste und Schönste. »Du sollst wie in einem Märchen leben, weil du selbst ein Märchen bist!« hatte Eduard Barrenberg reichlich schmalzig gesagt.
Nun sagte Petrescu:
»Meine Rose! Ich habe heute großes Glück gehabt, an dem du teilnehmen sollst. Wünsch dir, was du willst! Ich erfülle es dir blanko! Soll ich dir eine Insel in der Südsee kaufen? Einen Weinberg in Frankreich? Die schönste Motoryacht des Mittelmeeres? Eine Hazienda in Uruguay? Wünsch dir etwas, was noch keine Frau bekommen hat – du hast es morgen zu deinen Füßen liegen!«
Ich möchte Ruhe, dachte Bettina. Nur Ruhe! Ruhe vor dir, George, Ruhe vor dir, Eduard Barrenberg. Ruhe, nur Ruhe! Aber genau das kann mir keiner von euch schenken.
»Ich überlege es mir«, sagte sie und versuchte, mit freudigem Ton zu sprechen. »Versprich nicht zuviel. Ich haue 'rein!«
»Schon erfüllt!« Petrescu lachte. Es klang wie eine Siegesfanfare. Erschrocken zog Bettina die Schultern nach vorn. Das war eine Tonart, die sie von Petrescu noch nicht kannte. »Mich kann kein Wunsch mehr erschrecken. Wann kommst du nach Hause, meine Rose?«
»Spät! Übermorgen ist doch die Eröffnung. Morgen kommt schon die Presse zur Besichtigung. Mir ist ganz schlecht vor Lampenfieber.«
»Ich warte auf dich«, sagte Petrescu. »Komm nicht zu spät. Ich möchte heute abend mit dir essen gehen, als sei es
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