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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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sie mir die Hand gab. »Es tönt unwahrscheinlich, daß ich nicht mehr darüber weiß, aber sie sagte, es sei besser, wenn ich nichts wüßte. Besser für mich, meinte sie. Und sie sagte es so, daß ich ihr glaubte.«
    Als sie gegangen war, kam der concierge und rief mich ans Telefon.

Drittes Kapitel
I
    Ihr Französisch hatte einen leichten Nizzaer Akzent. Ihr Ton duldete keinen Widerspruch.
    »Hier ist Adèle. Wie ich höre, haben Sie mir von meinem Bruder etwas mitzuteilen.«
    »Ja, ich möchte Ihnen helfen. Wo können wir uns treffen?«
    »Haben Sie ein Auto?«
    »Ja.«
    »Welche Marke?«
    »Einen blauen Simca.«
    »Kennen Sie das Relais Fleuri auf der Moyenne Corniche oberhalb Villefranche?«
    »Ich werde es finden. Es ist doch ein Restaurant?«
    »Ja. Seien Sie heute abend um 10 Uhr dort, gehen Sie hinein und rufen Sie die Nummer 82-51-69 an.«
    »Nach wem soll ich fragen?«
    »Nach Adèle.«
    »Ist das alles?«
    »Ja. Sie werden allein kommen. Ohne Kamera, aber mit den Aufnahmen, die Sie heute morgen gemacht haben.«
    »Ich verstehe. Wo soll ich …?«
    Aber sie hatte schon eingehängt.
    Kurz, geschäftlich und vorsichtig. Das Restaurant, das sie bestimmt hatte, mußte ziemlich genau in der Mitte zwischen Cagnes-sur-Mer und Roquebrune liegen. Mit Hilfe des Telefonbuchs stellte ich fest, daß die Vorziffer der Nummer, die sie mir gegeben hatte, auf das Gebiet Villefranche-Cap Ferrat wies. Das sagte mir aber auch nichts.
    Ich hatte bis zu meiner Verabredung noch sechs Stunden Zeit. Ich erwog, Sy anzurufen, entschloß mich aber zu warten. Meine Nachricht war zu gut; er würde mit mir nicht länger ein Risiko eingehen, wenn es nicht unbedingt sein mußte. Sechs Stunden würden ihm genügen, um Bob Parsons herfliegen zu lassen, der dann die Sache übernehmen würde. Ich hätte in altbewährter Tradition das Interesse der Zeitschrift über mein eigenes gestellt, wenn ich die Art von Ausbildung im Zeitungswesen genossen hätte, die er so hoch einschätzte. So aber, wie die Dinge lagen, hatte ich nicht die Absicht, dies zu tun. Weder Sy noch Mr. Cust erweckten in mir Loyalitätsgefühle. Wenn ich Erfolg hatte, würde Cust diesen – nicht ganz zu Unrecht – seinem eigenen Scharfsinn zuschreiben. Wenn ich die Sache verpfuschte, würde er das Vergnügen haben, Sy aufzutragen, mich hinauszuwerfen. Da ich nichts zu gewinnen und nur wenig zu verlieren hatte, konnte ich tun, was mir beliebte. Mein Interesse an dem Geheimnis um Lucia Bernardi war geweckt worden. Ich wollte wissen, was dahintersteckte, und ich wollte die Wahrheit aus ihrem eigenen Mund hören.
    Ich verbrachte zwei Stunden mit der Lektüre des Dossiers, um meine Kenntnisse aufzufrischen und die wichtigsten Fragen zu notieren. Dann ging ich in die Bar hinunter und genehmigte mir einen Drink. Währenddessen kam der concierge herein und meldete mir einen Anruf aus Paris. Sy wurde ungeduldig. Ich ließ ihm ausrichten, daß ich ausgegangen sei, und verließ unverzüglich den Gasthof. Kurz vorher hatte es geregnet, und die Straße nach Cannes hinunter war rutschig. Ich sah, wie ein Wagen vor mir in der Kurve leicht ins Schleudern kam, und plötzlich hatte ich Angst.
    Angenommen, ich käme nicht bis zum Relais Fleuri. Angenommen, ich hatte einen Unfall. Angenommen, der Wagen, der bis jetzt tadellos gelaufen war, brach zusammen. Angenommen, ich übersah das Schild an einer Einbahnstraße und wurde angehalten. So viele Dinge konnten schiefgehen.
    Ich wollte ursprünglich in der Bonne Auberge schlemmen, dann Sy anrufen und zum Rendezvous fahren. Jetzt bekam ich es mit der Vorsicht, und so fuhr ich langsam direkt nach Nizza. Wenn ich einmal sicher dort war, konnte ich immer noch in aller Gemütsruhe essen. Das Relais Fleuri wäre in wenigen Minuten zu erreichen, und bei Unannehmlichkeiten bliebe mir genügend Zeit, mit ihnen fertig zu werden.
    In Nizza hatte es nicht geregnet, und die Straßen waren trocken. Ich nahm einen Drink in der Ruhl-Bar, wartete bis halb acht und rief dann Sy in seiner Wohnung an. In vorwurfsvollem Ton sagte er, daß er mich während der letzten Stunde mehrmals anzurufen versucht habe, aber ich ließ ihn gar nicht erst zu Wort kommen.
    »Hören Sie«, sagte ich. »Ich bin in Nizza, und ich habe gerade mit ihr gesprochen.«
    Er kreischte vor Aufregung. »Wo haben Sie sie gefunden? Wie sah sie aus? Was hat sie gesagt?«
    »Bis jetzt habe ich sie noch nicht gesehen, und gesagt hat sie auch noch nichts Brauchbares. Ich habe heute abend gegen zehn

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