Eine Art von Zorn
wieder auf mich. »Nein. Manchmal ist mein Mann zu vorsichtig. Er hätte es Ihnen ruhig sagen können. Wir haben sie vor etwa drei Monaten in Zürich gesehen. Es war ein zufälliges Zusammentreffen im Foyer unseres Hotels. Sie war einkaufen gewesen. Oberst Arbil war nicht dabei. Sie aß mit uns zu Mittag. Wir merkten, daß sie sich wegen irgend etwas Sorgen machte.«
»Wegen Oberst Arbil?«
»Ja, aber nicht in dem Sinn, daß sie unglücklich gewesen wäre. Natürlich weiß ich jetzt, daß sie sich gefürchtet hat. Zu jener Zeit begann er Alarmvorrichtungen in der Villa zu installieren. Sie erzählte uns nichts davon, aber als mein Mann hinausging, um zu telefonieren, fragte sie mich, ob es für Oberst Arbil wohl schwierig sein würde, in Frankreich eine Aufenthaltsbewilligung zu bekommen. Ich riet ihr, er solle mit dem französischen Generalkonsulat in Bern sprechen. Dann fragte sie mich, ob sie mir nach Frankreich schreiben dürfe. Ich gab ihr meine hiesige Adresse.«
»Mit Ihrem richtigen Namen?«
»Mit meinem Mädchennamen. Aber mein Mann hätte nicht einmal das gern gesehen, deshalb sagte ich ihm nichts davon.« Sie lächelte wieder ihr schwaches Lächeln. »Damals schien es auch nicht wichtig. Jetzt kann es uns vielleicht retten.«
»Retten?«
»Wenn Lucia mich nicht hätte erreichen können, dann wäre aus dem Interview nichts geworden.« Sie preßte die Hände zusammen. »Das wird uns doch retten, nicht wahr, Monsieur Maas? Sie werden niemandem von uns erzählen müssen – nicht Ihrem Herausgeber, nicht der Polizei, überhaupt niemandem?«
»Alles, was ich will, ist, Lucia Bernardi sehen und mit ihr sprechen. Was mich betrifft, so werde ich Sie und Ihren Gatten vollkommen vergessen.«
»Auch wenn Sie dann der Welt nicht beweisen können, daß Sie Erfolg hatten, wo andere versagten, das heißt, daß Sie gescheiter sind als die andern?«
»Ich bin nicht gescheiter als die andern, Madame, ich hatte bloß Glück. Wenn ich überhaupt nichts sage, wird es allerdings aussehen , als sei ich gescheiter. Ich nehme an, Sie möchten nicht, daß Ihr Gatte etwas davon erfährt?«
»Ich werde es ihm jetzt erzählen. Zuerst muß ich mich vergewissern, daß ich mich auf Sie verlassen kann. Kann ich das, Monsieur?«
So ruhig wie möglich sagte ich: »Ich glaube, etwas anderes bleibt Ihnen gar nicht übrig. Ich nehme an, sie bewohnt eines der kleinen Häuser, die Ihnen und Ihrem Mann gehören. Vielleicht in Roquebrune oder in Cagnes-sur-Mer?«
Sie sah mich erschrocken an. »Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
Es hatte keinen Sinn, sie unter Druck zu setzen. Falls es unbedingt notwendig sein sollte, konnte ich immer noch in Nizza im Grundbuch nachsehen, welche Häuser ihm gehörten, und das richtige herausfinden.
»So wichtig ist es nicht«, sagte ich. »Sie kümmern sich selbst um die Vermietung der Häuser, die Ihnen und Ihrem Mann gehören, nicht wahr? Haben Sie Lucia Unterschlupf gewährt – einfach, indem Sie ihr ein Haus vermieteten?«
Sie nickte. »Manche stehen in dieser Jahreszeit leer.«
»Und sie ist bereit, mir ein Interview zu geben?«
»Sie versteht, daß ich auf Sie angewiesen bin.«
»Wann kann das Interview stattfinden?«
»Heute abend.«
»Wo?«
»Sie wird Sie anrufen, sobald sie von mir gehört hat. Sie wird meinen Namen benutzen, Adèle, für den Fall, daß die Leute in der Vermittlung zuhören.«
»Sie wird sicher verstehen, daß ich sie sehen und identifizieren muß. So etwas kann man nicht einfach am Telefon erledigen, das begreifen Sie doch, nicht wahr?«
»Das dachte ich mir. Vorausgesetzt, daß Sie genau das tun, was sie Ihnen sagt, wird sie bereit sein, sich mit Ihnen zu treffen.« Sie erhob sich. »Wenn Sie hier warten wollen, werde ich schnell telefonieren.«
Sie blieb fünf Minuten fort. Als sie zurückkehrte, nahm sie die Jacke, die sie auf ihrem Stuhl liegengelassen hatte, setzte sich aber nicht mehr.
»Adèle wird Sie in wenigen Minuten anrufen«, sagte sie. »Ich muß jetzt nach Hause gehen und mit meinem Mann sprechen.« Sie zögerte. »Ich bin gespannt auf Ihren Artikel, Monsieur.«
»Ihr Name wird nicht darin stehen, Madame. Das versichere ich Ihnen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin froh, daß Sie das noch einmal sagen, aber das habe ich nicht gemeint. Ich meinte, daß Lucia Ihnen vielleicht mehr verraten wird als mir.«
»Sie hat Ihnen nichts erzählt?«
»Nur, daß sie ermordet werden würde, wenn sie sich nirgends verstecken könnte.« Sie lächelte, als
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