Eine Art von Zorn
dann die modische Perücke. Sie trug Hosen und eine schwarze Wolljacke. Sie strich mit den Fingern durch ihr Haar, um es aufzulockern, nahm mir dann die Flasche aus der Hand und füllte die Gläser.
»Ich habe eine halbe Stunde Zeit«, sagte sie munter. »Dann muß ich gehen.« Sie nahm ihr Glas und setzte sich auf jene Seite des Sofas, die nicht im vollen Lampenlicht lag.
Ich zog die Fotokopie des Partout -Artikels aus meiner Tasche und zeigte sie ihr. »Haben Sie das gelesen?« fragte ich.
»Ja.«
»Was halten Sie davon?«
Sie dachte einen Moment nach. »Es war zum Kotzen«, sagte sie schließlich und fügte dann hinzu: »Aber ich mußte auch darüber lachen.«
III
Es ist jetzt schwierig für mich, objektiv über Lucia zu schreiben; aber ich werde es versuchen. Ich besitze noch immer eine Kopie des Bandes mit dem Interview, mit allen Wahrheiten, Lügen, Halbwahrheiten und Ausflüchten, alles in ihren eigenen Worten. »Worüber haben Sie beim Lesen des Partout- Artikels lachen müssen?« beginnt meine Stimme.
»Darüber, daß Ahmed während seines Aufenthaltes in der Schweiz in keinerlei politische Angelegenheiten verwickelt gewesen sei.«
»Ahmed – das ist Oberst Arbil?«
»Ja.«
»Und war er in politische Dinge verwickelt?«
»O ja, die ganze Zeit über, außer in den letzten Wochen, bevor sie ihn ermordeten. Spät abends kamen Männer in die Villa. Es fanden geheime Zusammenkünfte statt. Die Männer – zwei oder drei – kamen einzeln, und erst nachdem die Hausangestellten zu Bett gegangen waren. Es war alles sehr geheimnisvoll.«
»Was für Männer waren das?«
»Hauptsächlich irakische Kurden. Mitglieder des Kampfkomitees.«
»Was für ein Komitee war das?«
»Das Komitee für das Selbstbestimmungsrecht des Kurdischen Volkes. Die Zentrale war in Genf. Es sind Männer, die im Exil leben und für die Errichtung eines unabhängigen kurdischen Staates arbeiten, zu dem die Ölquellen von Kirkuk und Mosul gehören würden.«
»Sie sagten, daß es hauptsächlich Iraker waren. Was waren die anderen?«
»Zwei waren Syrer, glaube ich. Und ein Engländer gehörte dazu, aber vielleicht war er auch Amerikaner. Er sprach ihre Sprache nicht. Mit ihm unterhielten sie sich französisch, aber er war kein Franzose. Er hatte einen ähnlichen Akzent wie Sie.«
»Ist er oft gekommen?«
»Zwei- oder dreimal.«
»Wissen Sie, worüber gesprochen wurde? Nahmen Sie je an diesen Zusammenkünften teil?«
»O nein. Es waren strenggläubige Muslims. Bei ihnen dürfen sich Frauen nicht in Männerangelegenheiten mischen. Ich durfte mich da nicht sehen lassen.«
»Vertrat Oberst Arbil auch diese Meinung in bezug auf Frauen?«
»Wenn sie da waren, ja.«
»Aber sonst vertraute er Ihnen?«
»Ja, manchmal erzählte er mir etwas.«
»Was?«
»Er erzählte mir, wie die Kurden nach dem Abkommen von Sèvres geprellt und betrogen wurden. Er war ein Patriot.«
»Wurde er deshalb ermordet? Was glauben Sie?«
»Natürlich.«
»Von Agenten der irakischen Regierung?«
»Vielleicht. Oder von Agenten der Ölgesellschaft.«
»Wieso der Ölgesellschaft?«
»Ahmed sagte, daß sie vor der Unabhängigkeit des kurdischen Volkes Angst haben.«
»Sie?«
»Die Amerikaner, die Engländer, die Holländer, die Franzosen. Sie sind alle daran beteiligt.«
»Glauben Sie ernsthaft daran, daß diese internationale Ölgesellschaft einen politischen Meuchelmord organisiert hat?«
»Warum nicht? Große Ölgesellschaften sind wie Regierungen. Sie können tun, was ihnen beliebt. Übrigens waren die beiden Männer, die es taten, keine Iraker. Das weiß ich. Ich habe sie sprechen gehört.«
»Welche Sprache sprachen sie denn?«
»Sie haben mit ihm deutsch gesprochen, aber miteinander redeten sie in einer anderen Sprache, einer Sprache, die ich nicht kenne. Es war nicht Arabisch.«
Hier wechsle ich das Thema. Bevor sie von der Mordnacht erzählte, wollte ich noch zwei andere Punkte klären.
»In dem Artikel heißt es«, fahre ich fort, »daß angenommen wurde, Oberst Arbils Einkommen stamme aus einem Familienunternehmen im Irak. Entsprach das der Wahrheit?«
»Ich glaube, ja. Aber über solche Dinge sprach er kaum mit mir. Er hatte sehr viel Geld. Es gab keinen Grund, darüber zu reden.«
»Kam es Ihnen nicht seltsam vor, daß ein Flüchtling, ein erklärter Feind der irakischen Regierung, keine Schwierigkeiten haben sollte, Geld aus dem Land herauszubringen?«
»Wenn es der Familie gehörte …«
»In einem Land wie dem Irak braucht
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