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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Hausecke. Seine Lampe war sehr stark, und selbst wenn die Vorhänge zugezogen waren, fiel der Lichtschein ins Zimmer.«
    »Und dann?«
    »Ich hörte, wie ein Mann auf deutsch wütend rief: › Los! Los! ‹ und Ahmed wieder laut aufschrie. Und dann sagte eine andere Stimme etwas auf deutsch. Ich konnte es nicht verstehen.«
    »Und was haben Sie getan?«
    »Zuerst gar nichts.« Eine kurze Pause, dann verteidigte sie sich: »Ist das schlimm? Ich fürchtete mich. Ich überlegte, was ich tun sollte. Ich dachte an die Pistole, die Ahmed gekauft hatte – er hatte mir gezeigt, wie man damit umgeht –, aber die lag in der Schublade neben dem Bett in seinem Zimmer. Ich ging zur Tür. Ich wußte nicht, wie viele Männer es waren. Zwei hatte ich gehört. Aber es hätten mehr sein können. Ich wußte nicht, ob sie wußten, wo ich war. Ich überlegte, ob ich leise die Türe öffnen und unbemerkt an den Zimmern vorbei hinunter zum Telefon schleichen könnte. Dann rief einer der Männer wieder: ›Wo ist? Wo ist?‹ , und plötzlich stieß Ahmed einen lauten Schrei aus.«
    Sie schluchzt, und eine halbe Minute lang ist nichts auf dem Band. Endlich spricht sie mit ruhiger Stimme weiter:
    »Danach schrie er nicht mehr. Ich nehme an, daß er ohnmächtig geworden ist.«
    »Was taten Sie?«
    Eine Pause. »Ich machte das Bett.«
    »Sie machten das Bett?« Meine Stimme klingt ungläubig, was vielleicht verständlich ist.
    »Ja. Sehen Sie, ich wußte, weshalb sie gekommen waren, und wo das, was sie suchten, war. Und inzwischen war mir klargeworden, daß die Männer – obwohl sie erwartet haben mochten, mich bei Ahmed zu finden – annahmen, daß er allein zu Hause war, weil sie mich nicht bei ihm gefunden hatten. Aber sobald sie begannen, das zu suchen, weswegen sie gekommen waren, würden sie mich finden und genauso behandeln wie Ahmed. Ich wußte, daß ich von diesem Zimmer aus ein Versteck erreichen konnte. Wenn sie aber ein ungemachtes Bett sahen, würden sie wissen, daß ich in der Nähe des Zimmers sein mußte, und so lange nach dem Versteck suchen, bis sie es fanden. Deshalb machte ich schnell das Bett und räumte das Zimmer auf. Ich hatte ein Après-Ski-Kleid getragen. Meine übrigen Sachen waren in dem Schrank im anderen Zimmer. Es gab nicht viel zu tun, aber mir schien es eine Ewigkeit. Ich hörte die beiden Männer aufgeregt reden. Dann wurden zwei Schüsse abgefeuert.«
    »Nur zwei?«
    »Ja, vorerst nur zwei. Einen Augenblick lang hoffte ich, daß es Ahmed vielleicht gelungen war, die Pistole aus der Schublade zu ziehen und sie zu töten. Aber dann hörte ich die Männer wieder sprechen und wußte, daß sie Ahmed erschossen hatten. Sie gingen auf den Flur hinaus. Ich wagte nicht, noch länger zu warten, deshalb versteckte ich mich.«
    »Wo?«
    »In einem der Türmchen.«
    »Ich hätte nicht gedacht, daß es richtige Türme sind. Auf dem Foto sahen sie wie Ornamente aus.«
    »Es sind aber echte Türmchen, aus Holz, mit Zink verkleidet und so bemalt, daß sie aussehen, als seien sie aus Stein. Wie es sich gehört, haben sie schmale Fensterchen, und das brachte den Mann, dem die Villa gehört, auf eine Idee. In einem Türmchen installierte er einen Lautsprecher und verband ihn mit dem Grammophon unten im Haus. Aus dem Türmchen ertönten dann von Schallplatten die verschiedensten Glockenspiele. Das war zweifellos läppisch, aber es gefiel dem Besitzer. Um diese Anlage einzubauen, mußte man in das Türmchen hineinkriechen, zu welchem Zweck im Schlafzimmer hinter dem Kleiderschrank ein Loch gemacht wurde, das von einer dünnen Holzplatte zugedeckt war.«
    »Ich verstehe. Dort sind Sie also hineingekrochen?«
    »Ja, und ich habe auch mein Après-Ski-Kleid mitgenommen. Darüber war ich später sehr froh, denn im Turm war es kalt. Der Wind pfiff durch die Drähte oberhalb der schmalen Fenster, und ich konnte mich kaum bewegen, denn der Lautsprecher nahm viel Platz ein.«
    »Wieso kannten Sie überhaupt diesen Zugang?«
    »Ahmed hatte in diesem Turm den Koffer mit den Aufzeichnungen versteckt, auf die die Männer aus waren.«
    »Hatte er Ihnen erzählt, daß er ihn dort versteckt hat?«
    Eine Pause. Sie zögerte, dann: »Ja.«
    »Er vertraute Ihnen voll und ganz.«
    »Ja.«
    »Was waren das für Papiere?«
    »Aufzeichnungen.«
    »Was für Aufzeichnungen? Von seiner politischen Tätigkeit?«
    »Von vielen Dingen.«
    »Haben Sie sie gelesen?«
    »Sie sind arabisch geschrieben.«
    »Sie blieben also in dem Turm, während die Männer das

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