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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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es eine Regierungserlaubnis, um Kapital ins Ausland zu bringen.«
    »Vielleicht wurde es heimlich geschickt. Vielleicht geschah es mit Hilfe von Bestechungen. Ich weiß es nicht.« Während dieser Unterhaltung wechselte ihre Stimmhöhe häufig. Sie hatte begonnen, im Zimmer auf und ab zu gehen, während ich sie fragte.
    »Nun gut. Wenige Monate vor seinem Tod wurde Oberst Arbil gewarnt, daß sein Leben in Gefahr sei, nicht wahr?«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Er wurde bloß gewarnt, daß jemand versuchen würde, wichtige Aufzeichnungen, die sich in seinem Besitz befanden, zu stehlen.«
    »Was für Aufzeichnungen?« »Sie betrafen politische Aktivitäten.«
    »Wer hat ihn gewarnt?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Wie erfolgte die Warnung?«
    »Er erhielt ein Telegramm.«
    »Woher?«
    »Ich weiß es nicht. Er hat es verbrannt.«
    »Und daraufhin installierte er die Scheinwerfer, die Spezialschlösser und die Alarmanlagen? Hätte er die Aufzeichnungen nicht einfach in einen Panzerschrank legen können? Das wäre doch viel sicherer gewesen.«
    »Über solche Dinge sprach er nicht mit mir.« Ich erinnere mich an die Art, wie sie diese Frage abschüttelte. »Warum hätte er das auch tun sollen?«
    »Als Adèle mit Ihnen in Zürich zu Mittag aß, hatte sie das Gefühl, daß Sie sich Sorgen machten. Sie fragten sie damals, ob Oberst Arbil vielleicht in Frankreich eine Aufenthaltsbewilligung bekäme. Was haben Sie damit bezweckt?«
    »Ich dachte nur, es wäre für ihn, vielmehr für uns, angenehmer, in Frankreich zu leben.«
    »Vielleicht auch sicherer?«
    »Der Mietvertrag für die Villa lief in wenigen Monaten ab. Ahmed konnte sich nicht entschließen, ihn zu erneuern. Er sprach von einem Ort im Süden, nahe am Meer. Im Sommer wäre es dort schöner als in Zürich, und im Winter ist der Schnee in Chamonix genauso gut wie in St. Moritz, wenn nicht besser.«
    »Hat er je davon gesprochen, in den Irak zurückzukehren?«
    »Nein.«
    »Wäre er zurückgekehrt, wenn eine andere Regierung an die Macht gelangt wäre? Das kommt dort oft vor.«
    »Ja. Aber ihre Einstellung gegenüber dem kurdischen Volk ändert sich nicht.«
    »Sie sagten, daß er sich während der Wochen unmittelbar vor seiner Ermordung nicht politisch betätigt hat. Wissen Sie, warum?«
    »Nein.«
    »War der Grund vielleicht der, daß ihm die Zusammenkünfte in der Villa zu gefährlich erschienen waren?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Hat er anderswo Zusammenkünfte besucht – in Genf, zum Beispiel?«
    »Möglicherweise. Aber ich glaube es nicht.«
    »Ist er je nachts allein ausgegangen?«
    »Manchmal schon.«
    »Während des letzten Monats?«
    »Ich glaube nicht.«
    »Und während der letzten Woche?«
    »Nein. Er hatte Grippe.«
    »Nun gut. Und jetzt erzählen Sie mir, was in der Mordnacht geschehen ist.«
    Das war es, worauf sie sich vorbereitet hatte. Es entsteht eine kleine Pause, während der sie ihre Gedanken ordnet; dann beginnt sie.
    »Wie ich schon sagte, hatte Ahmed Grippe gehabt. Seine Brust war angegriffen, und der Arzt hatte ihm Antibiotika verschrieben. Während er krank war, schlief ich in einem anderen Zimmer am Ende des Flurs, neben einem der Türmchen.«
    Eine Pause. Die Erinnerung ist schmerzlich. Sie spricht weiter:
    »Ahmed war fast den ganzen Tag über aufgewesen. Aber er nahm noch immer Antibiotika, und er fühlte sich nicht wohl. Er ging zeitig zu Bett. Ich saß noch eine Weile bei ihm in seinem Zimmer. Ernesto brachte den kleinen Fernsehapparat herauf. Es gab ein Eurovisionsprogramm, das Ahmed sehen wollte. Um halb zehn war es zu Ende. Ahmed wollte schlafen. Ich gab ihm seine Tabletten und sagte ihm gute Nacht. Dann ging ich in mein Zimmer.«
    »Waren zu dieser Zeit die Scheinwerfer im Garten eingeschaltet?«
    »Ja.«
    »Wer hat die Türen abgeschlossen?«
    »Ernesto. Er besaß einen Schlüssel, damit er am frühen Morgen hereinkommen konnte. Er verschloß sie jeden Abend, wenn er und Maria in ihr Häuschen gingen.«
    »Und dann?«
    »Ahmeds wegen hatte ich das Haus schon einige Tage nicht verlassen. Ich hatte Kopfschmerzen und dachte, ich würde auch die Grippe bekommen. Deshalb machte ich mir eine tisane , nahm ein paar Aspirintabletten und ging zu Bett. Es war noch früh, aber ich schlief sogleich ein.«
    »Was weckte Sie auf?«
    »Ahmed. Er schrie vor Schmerz laut auf.«
    »Was taten Sie?«
    »Ich stand auf und wollte zu ihm gehen. Da bemerkte ich, daß die Scheinwerfer nicht mehr brannten. Einer befand sich direkt vor meinem Zimmer, an der

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