Eine Art von Zorn
die dümmste Art im Stich gelassen. Mein Hiersein hat jetzt nichts mehr mit World Reporter oder irgendeiner anderen Zeitschrift zu tun. Ich bin hier, weil ich mich für Sie interessiere und auf Ihre Geschichte neugierig bin, und auch, um ehrlich zu sein, weil ich im Augenblick nichts anderes zu tun habe. Ich wage es noch nicht, nach Paris zurückzufahren. Wenn am Montag das Interview erscheint, wird die Polizei vielleicht auch mich suchen. Ich muß ihr deshalb aus dem Weg gehen. Sehen Sie das ein?«
Sie dachte nach, bevor sie antwortete: »Warum wollen Sie Ihren Vertrag brechen?«
»Natürlich, weil mir etwas Besseres angeboten worden ist. Warum sonst?«
Diese letzte Lüge überzeugte sie. Sie lächelte spöttisch, aber nicht mißbilligend. »Ein Saukerl, genau wie jeder andere, was?« Sie benutzte den amerikanischen Ausdruck.
Ich lächelte sie an. »Genau. Und jetzt möchte ich Ihnen eine Frage stellen. Wenn Sie wirklich geglaubt haben, daß ich lüge und nur versuche, mehr aus Ihnen herauszubekommen, warum haben Sie dann Adèle Sanger erlaubt, mir Ihre Telefonnummer zu geben?«
Das amüsierte sie. »Auf diese Frage habe ich gewartet«, sagte sie.
»Dann haben Sie sicherlich eine gute Antwort parat.«
»Natürlich.« Sie setzte sich; für den Augenblick würden keine weiteren schnellen Überlegungen notwendig sein. »Weil ich auch nach dem Interview mit Ihnen in Kontakt bleiben wollte. Da Adèle wegfuhr, konnte ich nicht mehr über sie mit Ihnen in Verbindung bleiben. Deshalb erlaubte ich ihr, Ihnen meine Telefonnummer zu geben.«
»Und ließen sich von ihr auch meine geben. War das wirklich, weil Sie umzuziehen gedachten, oder war es für den Fall, daß ich Sie nicht anrufen würde?«
»Das habe ich Ihnen doch eben gesagt.«
»Vor wenigen Minuten haben Sie mich beschuldigt, ich versuche Sie zu weiteren Aussagen zu verleiten. Kann ich daraus jetzt entnehmen, daß Sie weitere Aussagen machen wollen ?«
»Vielleicht. Ich werde darüber nachdenken.« Unsere Blicke begegneten einander. Sie sprach langsam und vorsichtig weiter: »Vor allem dachte ich, daß ich nach der Veröffentlichung des Interviews irgendeine Hilfe brauchen könnte, um mit andern Leuten, die sich vielleicht für mich interessieren würden, zu verhandeln.«
»Mit anderen Reportern, meinen Sie?«
»Ja. Mit anderen Reportern und«– sie hielt Skurletis Karte in die Höhe – »Leuten dieser Art.«
»Aha!«
»Dieser ist zu früh gekommen. Was werden Sie ihm sagen?«
»Was möchten Sie, daß ich ihm sage?«
»Das Geldangebot ist ernst gemeint.« Sie lächelte verschmitzt. »Sie können ihm die gewünschte Liste verkaufen, aber gewisse Adressen weglassen – vielleicht dieses Haus und das in Beaulieu.«
»Das wird ihn zwar etwas aufhalten, aber was mache ich nachher?«
»Sie können ihm für Dienstag einige neue Adressen versprechen.«
»Wenn die Nummer mit dem Interview draußen ist. Stimmt’s?«
»Es wäre interessant, zu wissen, ob er tatsächlich an Patrick interessiert ist oder an mir. Auch für Sie interessant«, fügte sie verführerisch hinzu.
Ich stand auf. »Ich glaube, es ist jetzt Zeit, daß ich gehe.«
»Möchten Sie nicht etwas trinken, bevor Sie gehen? Vielleicht ein Glas Portwein?«
»Nein danke. Ich muß jetzt schnell nach Nizza zurück.«
Auch sie erhob sich. Ihr Lächeln war jetzt etwas angespannt. Sie wollte sich meiner bedienen, das war klar. Weniger klar war, was ich für meine Dienste bekommen würde. Sie versuchte die sentimentale Tour. Sie legte die Hand auf meinen Arm.
»Sie werden aufpassen, nicht wahr?« fragte sie ängstlich.
»Auf Skurleti?«
»Auf sich selbst.« Sie sah mir in die Augen. »Sie vergessen, daß wir beide jetzt Flüchtlinge sind.«
»Das weiß ich.« Ich sagte das sehr beiläufig.
Sie mußte es noch einmal versuchen. »Sie müssen aufpassen. Sie müssen Vorsichtsmaßnahmen treffen.«
»Mit einer modischen Perücke würde ich ganz schön auffällig aussehen.«
»Ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
Sie zuckte die Achseln, drehte sich dann um und führte mich in den vorderen Teil des Hauses. An der Tür probierte sie es ein letztes Mal. »Wenn Sie anrufen wollen, so am besten nachmittags oder abends. Am Vormittag ist die Frau hier, um aufzuräumen.«
»Ich werde daran denken.«
»Es ist einsam hier«, sagte sie. »Und jetzt, da Adèle weggefahren ist, wird es noch einsamer werden. Wenn es ungefährlich ist, könnten Sie vielleicht morgen wiederkommen.«
»Das würde ich gerne
Weitere Kostenlose Bücher