Eine Art von Zorn
ist, wer in den einzelnen Häusern wohnt. Anzahl der Personen, männlich oder weiblich, Alter, Namen.«
»Dafür würde ich mehr als ein paar Stunden brauchen.«
»Ein Mann mit Ihrer Erfahrung? Gewiß nicht. Die patrons der Cafés und die garagistes wissen diese Dinge immer.«
Das hätte Sy sagen können. Ich machte weiterhin ein unwilliges Gesicht. »Da würden Spesen auflaufen«, sagte ich. »Hotel, Mahlzeiten, Taxis, zusätzliche Fahrkarten.«
»Einhundert Francs extra für Spesen. Sie können morgen abend in Marseille den Train Bleu nehmen. Von Marseille aus können Sie mir die Information per Telefon durchgeben. Ich werde im Hotel auf Ihren Anruf warten. Ist das klar?«
Ich gab nach. »Also gut.« Ich warf einen kurzen Blick auf meine Uhr. »Ich muß meine Frau anrufen. Sie wird nicht erfreut sein. Sie wird glauben, ich hätte mir hier ein Mädchen angelacht.«
»Nicht, wenn Sie ihr von den fünfhundert Francs erzählen.«
»Wenn sie das erfährt, wird sie sich ein paar neue Kleider kaufen wollen.«
Mit dieser Abschweifung ins Private endeten unsere geschäftlichen Verhandlungen. Er schrieb Namen und Telefonnummer seines Hotels auf seine Geschäftskarte und gab sie mir.
Als ich gehen wollte, legte er mir die Hand auf den Arm und hielt mich zurück. »Noch etwas.«
»Ja?«
Er schaute mir einen Moment in die Augen, dann sprach er weiter: »Wie ich gesagt habe, ist die Angelegenheit dringend und wichtig. Ich verlasse mich darauf, daß Sie sorgfältig vorgehen. Kein abgekürztes Verfahren. Keine Schlamperei.«
»Sicher nicht.« Ich bemühte mich, über diese Unterstellung entrüstet zu sein.
»Und auch keine Unvorsichtigkeit. Ihre Nachforschungen sollen die betreffenden Personen auf keinen Fall alarmieren.«
»Wir pflegen die Leute, deren Kreditwürdigkeit wir untersuchen, nicht zu alarmieren«, sagte ich beleidigt.
»Schon gut, schon gut. Das sollte keine Beleidigung sein. Ich werde dann morgen abend von Ihnen hören.«
»Selbstverständlich.«
Ich kehrte in mein Hotel zurück und überlegte, ob ich Lucia telefonieren sollte, um ihr zu erzählen, was geschehen war. Dann ließ ich es aber bleiben. Beim morgigen Treffen wollte ich eine gute Verhandlungsbasis haben. Wenn sie von mir etwas über Skurleti wissen wollte, mußte sie mir zuerst etwas erzählen, was mich interessierte.
Andererseits war es aber nötig, für achtundvierzig Stunden das Hotel zu verlassen. Obgleich Skurleti mich für das zu halten schien, was ich zu sein vorgegeben hatte, war er keineswegs ein Narr. Für ihn war dies ein sehr guter Tag gewesen. Jetzt, da er Zeit hatte, ihn zu überblicken, mochte er sich fragen, ob nicht vielleicht alles zu schön war, um wahr zu sein. Vielleicht fing er an, mich zu kontrollieren. Er hatte mir nahegelegt, vorsichtig zu sein. Es war sicher keine schlechte Idee, diese Ermahnung ernst zu nehmen.
Ich suchte das nächste Hotel in der Michelin -Liste und rief dann Lucia an.
Sie erkannte jetzt meine Stimme. »Haben Sie ihn getroffen?« fragte sie sofort.
»Ja.«
»Und?«
»Das werde ich Ihnen morgen erzählen. Ich habe nur angerufen, um zu sagen, daß ich hier ausziehe.«
»Warum?«
»Das werde ich Ihnen auch morgen erzählen.«
»Ist irgend etwas nicht in Ordnung?«
»Nein. Nur eine Vorsichtsmaßnahme. Haben Sie die nächste Nummer?«
»Ja. Hat er …?«
»Ich muß jetzt weggehen. Bis morgen.«
Ich packte meine Sachen und ging hinunter. Während ich meine Rechnung bezahlte, erklärte ich, daß ich meine Familie in Lyon besuchen wolle und am späten Sonntagabend wieder zurück sein würde. Ich trug auch auf, diese Mitteilung jedem, der anrief, auszurichten und fragte, ob ich nach meiner Rückkehr dasselbe Zimmer bekommen könnte. Das war erledigt. Ich verließ das Hotel, stellte den Wagen in eine Parkgarage in der Nähe und trug meine Taschen zum Bahnhof. Der Zug ging erst in einer Stunde. Ich deponierte die Taschen in der consigne , kaufte eine Rückfahrkarte nach Cannes und ging etwas essen.
Als ich meine Taschen wieder bei der consigne abholte, sah ich Skurleti. Er stand neben dem Zeitungsstand und beobachtete den Bahnsteig, auf dem der Train Bleu einfahren würde. Er gab sich gar keine Mühe, sich zu verbergen. Er sah sich um wie jemand, der erwartet, einen Freund zu treffen.
Ich hätte mich darüber freuen sollen, die Möglichkeit, daß er mich kontrollierte, vorausgesehen und die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen zu haben, aber ich tat es nicht. Statt dessen spürte ich
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