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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Tasche gesteckt.«
    Ich mußte lachen. »Sie sind halt nicht gewöhnt, mit seelischen Krüppeln zu verkehren«, sagte ich.
    Sie wurde zornrot. »Wenn Sie sich so nennen und dabei auch noch lachen, muß ich annehmen, daß Sie sich nicht ernst nehmen oder daß Sie es genießen, sich zu demütigen. Weder das eine noch das andere wirkt anziehend.«
    »Das soll es auch nicht. Ich habe die Dinge einfach beim Namen genannt. Und ich habe gelacht, weil Butter und Luminal für Sie dasselbe ist, nämlich etwas, das wir in unserem Haushalt brauchen. Habe ich nicht recht?«
    Sie dachte über meine Bemerkung nach, dann zuckte sie die Achseln. »Sie haben gesagt, Sie seien ein Feigling. Jetzt nennen Sie sich einen seelischen Krüppel. Sie erinnern sich nur an die unangenehmen Zeiten Ihres Lebens und sagen nur Schlechtes über sich. Warum? Weil Sie dumm sind? Sie sind sicher nicht dumm. Aber vielleicht glauben Sie, jemand sei ein Feigling, wenn er sich vor vielen Dingen fürchtet. Sie denken immer an die seelischen Wunden, die Sie bekommen haben, und glauben, Sie müßten für alle Zeiten ein Krüppel bleiben.« Sie hatte die ganze Zeit über ins Feuer gesehen, aber jetzt hob sie den Kopf und sah mich direkt an. »Erwarten Sie bloß nicht, daß ich dieses Spiel mitmache. Für mich sind Sie ein Mann. Vielleicht sind Sie unglücklich, doch das ist Ihre Angelegenheit. Ich werde darauf keine Rücksicht nehmen. Ich spiele keine Rolle in Ihrem Spiel, vor allem nicht die der Krankenschwester. Ich mag keine Krüppel.«
    »Dann wird es Ihnen sicher nicht schwerfallen, ihre Existenz zu leugnen. Schließlich«, fügte ich kühl hinzu, »verbindet uns ja nur das Geschäft.«
    »Genau.« Sie stand auf. »Ich glaube, ich werde jetzt gehen. Soll ich morgen außer den Dingen, über die wir schon gesprochen haben, noch etwas mitbringen?«
    »Falls mir etwas einfällt, werde ich anrufen.«
    Sie zog ihren Mantel an, setzte die Perücke auf und band den Schal darüber. Ich schaltete das Licht aus, bevor ich die Haustür öffnete. Sie sagte kein Wort mehr und ging.
    Wir waren ganz schön ineinander verhaßt.

Sechstes Kapitel
I
    X kommt in eine Stadt und nimmt in einem Hotel ein Zimmer. Y befindet sich in einem Haus an der Peripherie dieser Stadt. X muß Y treffen, darf aber die Aufmerksamkeit des Feindes Z weder auf sich noch gar auf Y lenken.
    Aufgabe: Beschreibe detailliert 1.) unter welchen Umständen das gewünschte Treffen gefahrlos stattfinden kann, und 2.) wie diese Umstände ermöglicht werden können. Gib Punkt für Punkt eine Darstellung des Treffens. Verwende, wenn nötig, auch Skizzen und graphische Darstellungen. Merke: Mit dem Zufall darf nicht gerechnet werden.
    Ich verbrachte fast den ganzen Sonntag mit der Lösung dieses Problems. Punkt 1 war leicht.
    Da anzunehmen war, daß Brigadier Farisi den Agenten des Komitees bekannt war und von ihnen beschattet wurde, so mußte ich die Überwachung ausschalten, um ein erfolgreiches Treffen zu ermöglichen. Farisi durfte seine Beschatter nicht zu mir führen. In Anbetracht der besonderen Konstellation zwischen mir, der Polizei und den Zeitungen, die sich auch in der fraglichen Zeit nicht ändern würde, mußten die Treffen überdies nachts stattfinden und an einem Ort, den Farisi unbemerkt erreichen konnte. Kurzum, Farisi und ich mußten für eine Stunde unsichtbar werden.
    Punkt 2 war schwierig. Es fiel mir nichts Gescheites ein. Ich erinnerte mich, daß man im Film seinen Überwachern entkam, indem man auf fahrende Züge oder Busse sprang und in großen Gebäuden mit vielen Ausgängen verschwand. Aber ich mußte annehmen, daß es sich bei den Männern des Komitees, die hinter den Aufzeichnungen her waren, um hartgesottene Profis handelte. Jeder ungeschickte Versuch, ihnen zu entkommen, würde auffallen und ihnen kundtun, daß wir uns in der Defensive befanden, schlimmer noch, daß die Transaktion unmittelbar bevorstand. Meine Aufgabe war es, für die Treffen einen narrensicheren Plan zu machen, den man Farisi kurz am Telefon erklären konnte und der von ihm keinerlei verdächtiges Benehmen in der Öffentlichkeit erforderte.
    Am späten Nachmittag war ich zu dem Schluß gekommen, daß die Aufgabe unlösbar war, wenn man kein Risiko einging. Es war relativ einfach, sich zu überlegen, wie man Farisi vorübergehend einer persönlichen Überwachung entziehen konnte, während er sich außerhalb seines Hotels befand. Er konnte im Wartezimmer eines Arztes verschwinden, in der Toilette eines Cafés,

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