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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Sie sich hier wohlfühlen?«
    »Ganz sicher.«
    »Es ist jetzt nicht sehr warm, aber wenn Sie den elektrischen Ofen von unten heraufbringen, wird er die Decken wärmen. Dann wollen wir etwas trinken. Sie können’s sicher brauchen. Das Bett kann später gemacht werden.«
    Die Verwandlung Lucias in eine Hausfrau überraschte mich. Ihr ganzes Verhalten, ja sogar ihre Bewegungen, hatten sich kaum merklich verändert. In fünf Minuten hatte sie sich in der fremden Küche zurechtgefunden und fühlte sich wie zu Haus. Sie mokierte sich ein wenig über meine Lebensmitteleinkäufe – unter anderem hatte ich versäumt, Butter zu kaufen, so daß die Omelette wegfallen mußte, aber sie ließ sich dadurch nicht aus der Fassung bringen. Irgendwie brachte sie es zustande, mit Hilfe einer Dose Tomatenmark und ein paar Scheiben Knoblauchwurst eine vorzügliche Eierspeise zuzubereiten. Wir aßen sie mit Brot am kleinen Couchtisch neben dem Kamin und tranken eine Flasche Rotwein dazu.
    Ich hatte erwartet, daß sie mit mir den Operationsplan für die kommende Woche besprechen würde, aber ich hatte mich geirrt. Sie hatte mir den Oberbefehl erteilt und widmete sich der Verpflegung, der taktischen Unterstützung und meiner Kampfmoral. Adèle Sanger hatte ihr einiges aus meinem Privatleben erzählt; jetzt war sie auf meine Freunde neugierig – Beruf, Alter, Zivilstand, wo sie wohnten, wieviel sie verdienten, was sie sagten, was sie dachten. Als ich eine Frau erwähnte, die ich gut kannte und die für eine Modezeitschrift schrieb, wurde ihr Interesse stärker und ihre Fragen indirekt. Ist es diejenige, mit der er ins Bett geht? fragte sie sich. Als sie merkte, daß dies nicht der Fall war, wurde sie direkter.
    »Was geschieht, wenn Sie in der nächsten Woche von aller Welt gesucht werden?« fragte sie. »Werden sich Ihre Freunde nicht um Sie sorgen?«
    »Vermutlich, aber das kann ich nicht ändern.«
    »Und was ist mit Ihrer Freundin?«
    »Sie meinen meine Geliebte?«
    »Aha, von ihr haben Sie mir noch nichts erzählt.«
    »Weil sie nicht existiert.«
    »Sie haben keine Geliebte?« Die Ungläubigkeit in ihrer Stimme war schmeichelhaft, aber ich wollte von dem Thema weg.
    »Nein, im Augenblick nicht.«
    »Freiwillig?«
    »Ja, eigentlich schon.«
    Spöttisch zog sie die Augenbrauen hoch. »Aha, ich verstehe. Sie gehören zu denen, die sehr schwer zufriedenzustellen sind.« Sie lächelte. »Wie war die letzte?«
    Ich nahm einen Schluck Wein. »Das habe ich schon fast vergessen«, sagte ich. »Der Doktor des Krankenhauses sagte, daß ich es nach einer Weile ganz vergessen würde.«
    Ihr Lächeln verschwand. »Was ist geschehen? Ist sie gestorben?«
    »Soviel ich weiß, ist sie noch sehr lebendig. Ich war der Patient in jenem Krankenhaus.«
    »Und Sie möchten nicht von ihr sprechen?«
    »Am liebsten auch nicht an sie denken.«
    Es entstand eine Pause, dann nickte sie. »Ich verstehe. Sie war Teil einer unangenehmen Zeit.«
    »Ja.«
    Glücklicherweise verfolgte sie dieses Thema nicht weiter. Sie trank den Wein aus und begann, den Tisch abzuräumen. Ich wollte ihr helfen, aber sie ließ es nicht zu.
    »Nein. Es geht schneller, wenn ich es allein mache. Trinken Sie aus. Ich koche Kaffee.«
    Wenig später hörte ich sie die Küche verlassen und hinaufgehen, um das Bett zu machen. Ich blieb sitzen. Ich war sehr müde, und es hatte mich schrecklich deprimiert, von Madeleine zu sprechen.
    Ich weiß, daß dann jedesmal irgend etwas mit meinem Gesicht passiert. Sie sah es in dem Augenblick, als sie mit dem Kaffee ins Zimmer kam. Als ich ihr das Tablett abnahm, ging sie zum Schrank und holte die Flasche Kognak hervor, die ich während des Interviews für sie geöffnet hatte.
    »Glauben Sie, daß Sie hier gut schlafen können?« fragte sie. »Ich für meinen Teil finde, daß ein fremdes Haus etwas anderes ist als ein Hotel. Selbst ein Haus wie dieses wirkt doch sehr persönlich.«
    »Der Kognak wird mir schon helfen.«
    Sie setzte sich und schenkte Kaffee ein. »Als Adèle mich aufnahm«, sagte sie, »hatte ich, wie Sie sich sicher vorstellen können, eine crise de nerfs . Ihr Arzt hat ihr Beruhigungsmittel für mich gegeben. Ich habe noch einige davon. Es sind zwar keine Schlaftabletten, aber wenn Sie wollen, bringe ich sie morgen mit.«
    »Wissen Sie, wie sie heißen?«
    »Luminal, glaube ich. Irgend etwas in der Art.«
    »O ja. Die hätte ich gern.«
    »Wenn ich nicht so dumm wäre«, sagte sie lebhaft, »hätte ich sie schon heute abend in meine

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