Eine Art von Zorn
treffen. Deshalb wurde alles so diskret wie möglich erledigt. Man betrat das Haus durch eine Apotheke und ging die Treppe hinauf ins Ambulatorium. Man verließ es, indem man eine andere Treppe hinunterging, die zum Hof eines benachbarten Apartmenthauses führte.«
»Wie lange ist das her?«
»Ungefähr neun Jahre.«
»Ist es noch dort?«
»Das läßt sich feststellen.« Sie griff zum Telefonbuch und suchte nach dem Namen. »Ja, es ist noch dort.« Sie schaute auf den Jahrgang des Telefonbuches. »Jedenfalls war es vor zwei Jahren noch dort. Wir können in der Frühe anrufen.«
»Sie sagten, dahinter sei ein Hof gewesen. War er geschlossen oder konnte ein Wagen hineinfahren?«
»Man konnte hineinfahren. Es gab eine porte cochère. «
»Wie lange blieb das Ambulatorium abends geöffnet? Erinnern Sie sich?«
»Nein. Aber die Apotheke war immer bis halb neun offen. Ich nehme an, das Ambulatorium auch. Das würde gehen.«
Ich dachte einen Augenblick nach. »Für das erste Treffen würde sich das vielleicht eignen«, sagte ich schließlich. »Wenn ich den Wagen im Hof parken kann, dann könnte Farisi durch die Apotheke hineingehen und zum Wagen hinunterkommen und den Weg zurückgehen, den er gekommen ist. Natürlich nur, wenn sich nichts geändert hat.«
»Wir könnten heute abend noch hinfahren und nachsehen. Es wird zwar nicht offen sein, aber Sie können sich etwas umsehen.«
»Ja, das sollten wir wirklich machen.« Ich dachte noch einmal darüber nach. »Eins gefällt mir allerdings nicht so ganz. Ein Iraker kommt in Nizza an und geht direkt in ein Ambulatorium, wo Darmspülungen gemacht und alte Herren wegen Prostataleiden behandelt werden. Würde das nicht ein bißchen verdächtig aussehen?«
»Glauben Sie, daß er sich verdächtig macht, weil er eine Apotheke betritt? Es ist ein großes Geschäft, und es gibt dort nicht nur Medikamente, sondern auch Seife und ähnliches zu kaufen. Und wie lange bleibt er denn dort? Höchstens zehn Minuten.«
»Vielleicht haben Sie recht. Aber für das zweite Treffen werden wir uns etwas anderes ausdenken müssen.«
Plötzlich runzelte sie die Stirn. »Jetzt erinnere ich mich an etwas.«
»Woran?«
»Ahmed hat mir erzählt, daß Brigadier Farisi nicht Französisch spricht. Ein paar Worte vielleicht, aber nicht mehr.«
»Wie steht’s mit Englisch?«
»Das kann er. Das ist die zweite Sprache im Irak.«
»Das ist ja fein. Ich spreche auch Englisch.«
»Ich meinte etwas anderes. Was soll er tun, wenn er in das Ambulatorium geht? Er muß etwas sagen, vielleicht einen Termin für den nächsten Tag ausmachen.«
»Ich nehme an, ich könnte ihm erklären, was er sagen soll.«
»Oder vielleicht bringt er jemanden mit, der Französisch spricht.«
»Ich will nur mit einem Mann verhandeln. Mit einem nach dem andern, aber nur mit einem auf einmal. Insbesondere beim zweiten Treffen. Sie könnten sich entschließen, die Aufzeichnungen einfach zu nehmen und zu vergessen, das Geld auszuhändigen.«
»Haben Sie keinen Revolver?«
»Nein.«
»Nun schön, im Wagen habe ich einen. Er gehört Adèle. Sie können ihn nehmen.«
Es ist ein alter französischer Brauch, im Wagen einen geladenen Revolver zu haben. Ich hatte diesen Brauch immer für albern gehalten, aber der Augenblick schien mir nicht geeignet, das zu erwähnen.
»Gut«, sagte ich. »Aber ich halte es doch für klüger, nur mit einem auf einmal zu verhandeln. Nicht nur aus Feigheit«, fügte ich hinzu, »sondern vor allem aus Habgier und gesundem Menschenverstand.«
Sie lachte vergnügt. Es störte sie nicht, daß ich von meiner Feigheit sprach, solange ich sie mit einem kleinen Scherz genießbar machte. Sie war mir gegenüber wieder unbefangen und schenkte mir noch etwas Wein ein.
»Da ist noch etwas, was wir nicht besprochen haben«, fuhr ich fort. »Die Aufzeichnungen selbst. Wo sind sie? Und wie machen wir das mit den Leseproben, die wir den Leuten doch zeigen müssen?«
»Ach ja. Das muß ich Ihnen noch sagen. Da wird es keine Schwierigkeit geben. Ahmed hat bereits bestimmte Seiten aus den Aufzeichnungen ausgewählt, damit diese Leute sehen, was sie kaufen werden. Aber er hat gesagt, man müsse vorsichtig sein. Die Leute dürfen diese Seiten sehen und lesen, aber nur einmal. Und sie dürfen keine Notizen machen. Was sie vom einmaligen Lesen in Erinnerung behalten könnten, sei belanglos, hat Ahmed gesagt. Dabei muß es bleiben.«
»Wie viele Seiten sind das?«
»Sechs. Ich werde sie morgen abend
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