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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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heute abend noch erledigen.«
    »Was?«
    »Tanken. Adèle hat mir für Notfälle zwei Kanister dagelassen, aber es ist besser, sie aufzuheben. Heute abend wird es für Sie ungefährlich sein, zu einer Garage zu fahren. Beim Michelin-Depot in der Rue Arson ist eine.«
    Sie hielt nahe der Kreuzung Rue Bonaparte – Rue Arson und stieg aus. Ich fuhr zu der Tankstelle und ließ Benzin nachfüllen, während sie schnell zur Kreuzung am Fuß des Hügels, der zur Corniche ansteigt, ging. Fünf Minuten später holte ich sie wieder ein und fuhr zum Haus.
    Als ich ausstieg, schob sie sich auf den Fahrersitz und nahm etwas aus dem Türfach, das aussah wie ein alter Putzlappen.
    »Nehmen Sie es. Es kann jetzt nichts schaden«, sagte sie.
    »Was ist es?«
    »Der Revolver.«
    Ich nahm ihn, zusammen mit dem schmierigen Tuch, in das er gewickelt war, und schloß die Wagentür.
    Sie lächelte mich an. »Schlafen Sie gut, Pierre.«
    »Werden Sie mich anrufen, wenn etwas im Nice Matin steht?«
    »Natürlich. Sobald die Frau weggegangen ist.«
    Ich beobachtete sie, wie sie rückwärts den Weg zur Straße hinauffuhr, wartete, bis ich das Geräusch des Wagens nicht mehr hörte, und ging dann hinunter in das leere Haus.
    Das Feuer war fast heruntergebrannt. Ich legte noch ein Holzscheit auf und betätigte den Blasbalg, bis es brannte. Dann wickelte ich den Revolver aus. Er war geladen.
    Ich hatte meinen Militärdienst in den Niederlanden geleistet. Da ich Akademiker bin, hatte man mich einer Schulungseinheit der Armee zugeteilt, wo ich Sprachunterricht gab. Während meiner Grundausbildung war ich in die Geheimnisse des Armalite – A.   R. 10-Gewehres eingeweiht worden, das ich auseinandernehmen und putzen und abfeuern konnte. Aber mehr verstehe ich nicht von Schußwaffen. Pistolen und Revolver gehören in die Hände von Offizieren, Polizisten und Verbrechern.
    Behutsam prüfte ich den Revolver und suchte nach dem Sicherungshebel. Es war keiner da. Hingegen fand ich den Zylinderbolzen. Ich entlud das Ding und machte dabei, ohne mich oder die Möbel zu gefährden, eine bedeutsame Entdeckung: dadurch, daß man abdrückte, wurde der Schlaghammer gespannt und schlug auf, und die Trommel drehte sich weiter.
    Das Feuer brannte hell und warm. Seltsamerweise war mir kalt. Ich hörte auf, mit dem Revolver zu spielen, und legte ihn, wieder geladen, in eine Schublade. Ich begann, an den kommenden Tag zu denken.
    Das Luminal war dort, wo sie es hingelegt hatte – auf dem Couchtisch. In dem Röhrchen waren sechs 15-mg-Tabletten. Ich nahm drei und ging zu Bett.
III
    Als es dämmerte, wurde ich wach. Vom Schlafzimmer aus konnte ich die Pointe St. Hospice auf Cap Ferrat sehen. Der Frühnebel hatte sich aufgelöst, es war strahlend klar. Ein kräftiger Südwind blies, und das dunkle Meer außerhalb der Bucht war weiß gefleckt. Auf der Küstenstraße fuhr ein weißer Lieferwagen. Er schien so nahe, daß ich fast die Aufschrift an der Seite entziffern konnte. Mir war unbehaglich zumute. An einem solchen Tag, dachte ich, konnte nichts verborgen bleiben. Wenn der Himmel bedeckt gewesen wäre, hätte ich mir natürlich auch Sorgen gemacht. Ob Regen oder Sonnenschein, es würde auf jeden Fall ein unangenehmer Tag werden.
    Ich ging die Treppe hinunter, kochte Kaffee und schaltete das Radio ein. Monaco machte Reklame für ein Mineralwasser – L’eau qui fait Pfshit! … Pfshit! … Pfshit! Ich versuchte ohne Erfolg einen Sender zu finden, der Nachrichten brachte. Schließlich schaltete ich wieder auf Monaco, den Sender, den ich am besten verstand.
    Ich toastete die Reste des Brotes, das Lucia am vergangenen Abend gebracht hatte, und aß es zum Kaffee. Dann badete ich und zog mich an.
    Um neun Uhr kamen die Nachrichten. Bei der Eröffnungssitzung der internationalen Zollkonferenz erwartete man vom französischen Delegierten, daß er die Wahl eines ständigen Präsidenten ablehnte. Ein belgisches Passagierflugzeug mit vierundsechzig Personen an Bord, das sich auf dem Flug nach Brazzaville befand, wurde als vermißt gemeldet. Von Cape Kennedy aus sollte heute vormittag ein neuer Nachrichtensatellit gestartet werden. In St. Georges, einem Stadtteil von Marseille, war innerhalb einer Woche der zweite Mord mit einem Beil begangen worden. Ein Versicherungsausschuß, der die Ursache von Unfällen untersuchte, hatte die Route Nationale 7 als die gefährlichste Straße Europas bezeichnet. In Lyon wurde der Prozeß gegen ein Ehepaar eröffnet, das beschuldigt wird, das

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