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Eine Art von Zorn

Eine Art von Zorn

Titel: Eine Art von Zorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ambler
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Uhr fünfzehn kam ich beim Relais an und parkte an der gleichen Stelle wie am Tag zuvor – hinter der Tankstelle. Es war wolkig und ziemlich warm. Ich wäre ganz gut ohne den Hut und die Regenhaut ausgekommen, aber ich hielt es für besser, beides anzubehalten. Den Revolver ließ ich allerdings auf dem Boden des Wagens liegen; ohne ihn konnte ich mich leichter bewegen.
    Ich brauchte etwa 5 Minuten, um die Triptyknummernschilder so anzubringen, daß sie die Wagennummern verdeckten. Danach setzte ich mich in den Wagen und rauchte eine Zigarette. Zu meiner eigenen Überraschung war ich fast gar nicht nervös. Ich fragte mich, warum. Vielleicht hatte Lucias Angst meine eigene vertrieben. Vielleicht gewöhnte ich mich allmählich an die ambiance von Verschwörung und Geheimtreffen. Oder lag es ganz einfach daran, daß ich Monsieur Skurleti als geistiger Vaterfigur voll vertraute? Das war es wohl, wie ich mir nach einiger Überlegung eingestand.
    Er war pünktlich wie am Abend vorher und hielt an derselben Stelle. Er parkte neben einem Genueser Möbelwagen. Als er die Scheinwerfer abgeschaltet hatte, ging ich, wie am Tag zuvor, von hinten auf den Wagen zu.
    Derselbe Kopf wandte sich mir von derselben Seite zu, dieselben Zähne erschreckten mich, dieselbe Brille spiegelte das Licht des Wirtshausschildes wieder. Niemand kauerte im Fond des Wagens, um mich anzuspringen, sobald ich die Türe öffnete. Wir sagten »Guten Abend«.
    »Der Plan für heute Abend wurde leicht geändert, Mr. Skurleti«, fuhr ich fort. »Mein Wagen steht dort drüben, hinter dem Büro der Tankstelle. Wollen Sie mitkommen?«
    »Natürlich.« Er zögerte keinen Augenblick. Er nahm eine Aktentasche vom Beifahrersitz und stieg aus.
    Wir gingen zurück zum Citroën. Er warf keinen Blick auf die Triptyknummernschilder, so sehr war er darauf erpicht, als erster zum Wagen zu kommen und mir die Tür zum Fahrersitz zu öffnen.
    »Nein, nein, danke.« Ich drückte ihn in den Beifahrersitz.
    Als ich hinten einstieg, drehte er sich um und sah mich an. »Aha, ich verstehe. Wir machen unser Geschäft hier.« Er schien enttäuscht.
    »Glauben Sie nicht, daß es hier sicher ist?«
    »O doch, es ist bestimmt sicher genug. Aber da dies unser letztes Treffen ist und wir einander vertrauen, habe ich mir gedacht, daß Sie sich vielleicht entschlossen hätten, mich in das Haus mitzunehmen, in dem Sie wohnen.« Die Zähne kamen zum Vorschein. »Beaulieu ist schließlich gar nicht weit von hier, und Cagnes liegt auf dem Weg nach Antibes. Außerdem hätte ich Miss Bernardi gern kennengelernt.«
    »So geht’s auch.« Aber er mußte gemerkt haben, daß ich aus der Fassung gebracht war.
    Er lachte leise. »Mr. Maas, Sie glauben doch wohl nicht, daß ich am Montag müßig gewesen bin? Sowie ich erfahren habe, wer Sie wirklich sind, habe ich mir noch einmal die Liste der Adressen angesehen, die Sie mir so vorsorglich verkauft haben, und habe mir vorgestellt, daß sie möglicherweise nicht so vollständig ist, wie sie sein könnte. Deshalb bin ich noch mal aufs Grundbuchamt im Hôtel de Ville gegangen und habe die Liste vervollständigt.«
    »Ach ja.«
    »Natürlich war ich zuerst ein wenig verärgert. Das Herumfahren und das An-die-Türen-Klopfen während des Wochenendes waren wirklich sehr ermüdend.«
    »Das tut mir leid.«
    »Ach, es war ja nicht Ihre Schuld«, sagte er hastig. »Wirklich nicht. Ich habe großen Respekt vor Ihrer Klugheit. Ich hätte an Ihrer Stelle das gleiche getan. Aber nun wollen wir uns dem Geschäft zuwenden, ja?«
    Er öffnete die Aktentasche, entnahm ihr ein bauchiges Kuvert und hielt es empor. »Hunderttausend Francs, Mr. Maas.«
    »Bloß hunderttausend?«
    »Ich habe noch ein zweites Kuvert mit demselben Betrag. Zählen Sie erst einmal das hier nach. Unterdessen würde ich gerne das Paket prüfen, das Sie mitgebracht haben. So scheint es mir fair.«
    »Ja.«
    Er übergab mir das Kuvert. Ich übergab ihm die Aufzeichnungen. Er holte Vergrößerungsglas und Taschenlampe aus der Aktentasche und ging an die Arbeit.
    Das Zählen machte keine Mühe. Das Geld war zu zehn Fünfhundert-Francs-Scheinen gebündelt, manche waren neu, manche alt, und an den Ecken waren sie zusammengeheftet, wie es in französischen Banken üblich ist. Es waren zwanzig Bündel.
    Ich steckte das Kuvert in eine Innentasche meines Rockes und wartete, während er die Aufzeichnungen prüfte. Er brauchte eine Weile. Als er fertig war, löschte er die Taschenlampe aus und lehnte sich an

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