Eine begehrenswerte Lady
hier?«
Wenn ein Hase sie angegriffen hätte, hätten Stanton und die anderen nicht verwunderter aussehen können. Simon schaute Townsend genauer an. Das fiebrige Glitzern in seinen Augen war besorgniserregend, und wenn er sich nicht sehr irrte, provozierte der Squire hier absichtlich Stanton, und das war gefährlich. Wenn es zu einem Duell käme, würde Stanton keine Sekunde zögern, Townsend eine Kugel zwischen die Augen zu schießen. Unbehaglich fiel Simon wieder das Gerede ein, als Stanton genau das vor ein paar Jahren einem närrischen jungen Mann angetan hatte. Wenn Townsend sich den Tod wünschte, wäre Stanton genau der Richtige, ihm den Wunsch zu erfüllen … Simon zuckte innerlich zusammen. War es das, was hinter Townsends Bemerkung stand?
Stanton erholte sich sofort und erklärte verächtlich:
»Ich vergesse, Sie sind ja der Squire hier, nicht wahr? Natürlich können Sie dieses erbärmliche Kaff, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, nicht langweilig finden.«
Townsend richtete sich auf.
»Wissen Sie«, sagte er, »ich glaube, Sie haben mich soeben beleidigt.«
»Meine Herren, ich bitte Sie«, beschwichtigte Nolles. »Lassen Sie uns das nicht auf die Spitze treiben.« Er schaute Stanton an. »Sie werden meinem Freund vergeben müssen. Er ist nicht er selbst. Canfields Tod war ein schlimmer Schock für ihn. Sie waren nicht dabei und können daher nicht wissen, wie furchtbar es ist, wenn ein Freund sein Leben verliert, während man selbst hilflos dabeisteht … und dann auch noch alles haarklein bei der Anhörung am Montag erzählen zu müssen, es noch einmal zu durchleben …«
»Natürlich«, sagte Stanton. Er zwang sich zu einem entschuldigenden Ton: »Ich bitte um Verzeihung. Meine Bemerkung war unangebracht.«
Einen Augenblick lang dachte Simon nicht, dass Townsend die Entschuldigung annehmen würde. Es hing am seidenen Faden, bis Nolles leise sagte, während er den Squire mit seinen blassen grünen Augen eindringlich anblickte:
»Es wäre pure Narrheit, das hier weiterzuverfolgen. Wir wollen nicht noch mehr Gewalt riskieren, oder?«
Townsend erschauerte und schüttelte sich, als löse er sich aus einer Art Trance und blickte dann wieder auf sein Brandyglas.
»Nein. Nein. Nicht noch mehr Gewalt.«
»Gut«, sagte Nolles. »Und nun, meine Herren, muss ich mich um Geschäfte kümmern und lasse Sie eine kurze Weile allein. Warum gehen Sie nicht in eines der Privatzimmer? Ich lasse Ihnen Getränke und eine kleine Stärkung dorthin bringen.«
Padgett stand auf.
»Ausgezeichnete Idee.« Er sah Nolles an. »Ich nehme an, unser gewohntes Zimmer ist bereit?«
Nolles verneigte sich.
»Allerdings. Wie immer.«
Padgett ging, Stanton dicht auf den Fersen hinter ihm. Townsend erhob sich vom Tisch und folgte den anderen. Simon, der hinter ihm war, bemerkte erleichtert, dass Townsend nicht so betrunken war, wie er es befürchtet hatte. Was, entschied er, Townsends Benehmen noch seltsamer erscheinen ließ, als es ohnehin schon war. Der Squire hatte rasch genug eingelenkt, aber allein der Umstand, dass er überhaupt so zu Stanton gesprochen hatte, beunruhigte Simon. Vielleicht war Townsend doch betrunken.
Simon hätte sich deswegen keine Sorgen machen müssen. Er beobachtete Emilys Cousin eindringlich den ganzen Abend über und merkte, dass er sein Glas langsamer leerte. Während der Abend fortschritt und das Glas neben ihm fast unberührt blieb, spielte Townsend erheblich besser, als Simon es in letzter Zeit je bei ihm gesehen hatte. Und da er mit ihm zusammen eine Partie Whist nach der anderen gegen Padgett und Stanton spielte, konnte er nur froh sein.
Wie gewöhnlich verging die Zeit mit Spielen und Trinken, und Nolles kam immer wieder vorbei und schaute nach, wie es ihnen erging und verschwand gleich darauf wieder in die Gaststube. Nach mehreren Stunden Whist, in denen Simon und Townsend Padgett und Stanton klar besiegten, verließen die Verlierer das Zimmer, sodass Simon mit dem Squire allein zurückblieb.
Simon dachte daran, ebenfalls aufzubrechen, als Townsend ihn mit hochgezogenen Brauen anschaute und fragte:
»Ein oder zwei Partien Piquet, bevor Sie gehen?«
Zögernd willigte Simon ein. Er war neugierig wegen Townsends Verhalten an diesem Abend und fand, es konnte nichts schaden, wenn er blieb.
Die beiden Männer begannen zu spielen, und obwohl Simon wusste, dass er ein guter Spieler war, war er überrascht, wie Townsend die Karten immer unsteter und willkürlicher ausspielte. Wenn
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