Eine begehrenswerte Lady
Gespräch auf ein anderes, weniger bedrückendes Thema bringen wollte.
»Gestern war ein Brief von ihr da, als wir in der Nacht in High Tower eingetroffen sind«, antwortete Luc, dankbar für den Themenwechsel.
»Hm. Ich frage mich, warum sie ihm wohl geschrieben hat«, überlegte Cornelia. »Das Letzte, was wir gehört haben, war, dass sie irgendwo in Surrey mit Mrs. Easley lebt.«
»Mit der anderen Nichte?«
Cornelia nickte.
»Ja. Sophia Easley muss inzwischen über dreißig Jahre alt sein. Und wenn ich mich recht entsinne, war ihr Ehemann wesentlich älter als sie und zudem ein Spieler, nicht viel anders als Bramhall oder auch Charles Dashwood. Wie auch immer, als Easley starb, ließ er sie mittellos zurück. Glücklicherweise konnte ihr Mrs. Dashwood eine Stelle bieten und hat sie bei sich aufgenommen.« Cornelia dachte einen Augenblick nach. »Obwohl ich mir sicher bin, dass auch Silas ihr bei sich ein Heim geboten hätte, wenn Mrs. Dashwood es nicht getan hätte.« Sie wirkte nachdenklich. »Ich kann mir denken, dass Stanley und die beiden Nichten eines Tages High Tower erben werden, wenn Silas einmal stirbt.«
War es möglich, fragte sich Luc zynisch, dass Mrs. Dashwoods Nachricht an Silas in Vorgriff auf den Tag geschrieben worden war, an dem sie erben würde? Versuchte sie, den alten Mann für sich einzunehmen, um sicherzugehen, dass sie tatsächlich erbte? Die Witwe Dashwood wurde ihm immer unsympathischer. Ein paar Minuten später verabschiedete sich Luc von den Damen.
Der leichte Regen wandelte sich in einen ausgewachsenen Sturm, und als Luc am Nachmittag in der Bibliothek vom Dower House am Fenster stand und hinausblickte, entschied er, seinen Besuch bei Silas aufzuschieben, den er sich eigentlich vorgenommen hatte. Am nächsten Tag wäre auch noch früh genug, um nach Silas zu sehen … und vielleicht mehr über Mrs. Dashwood in Erfahrung zu bringen.
Es war spät am Sonntagnachmittag, als der Regen endlich nachließ und es nur noch einzelne Schauer gab. Wegen des Wetters entschied er sich für seinen Phaeton, den er vergangenen Sommer nach einer besonders gewinnträchtigen Nacht erstanden hatte. Kurz darauf hatte er von Barnaby die beiden Rappen gekauft, echte Rappen, die kein einziges helles Haar in ihrem Fell aufwiesen. Barnaby hatte gelacht, als Luc sich für die beiden entschieden hatte.
»Irgendwie überrascht es mich nicht, dass du sie willst«, hatte Barnaby erklärt. Als Luc ihn fragend ansah, hatte er erklärt: »Ich habe gehört, wie die beiden mit ›schwarz wie der Teufel selbst‹ beschrieben wurden … passend, findest du nicht, um Lucifers Gefährt zu ziehen?«
Nicht im Mindesten verstimmt, hatte Luc die beiden Rappen sofort Devil und Demon getauft. Mit lachenden blauen Augen hatte er erklärt:
»Sie werden meinen Ruf nur untermauern.« Als Barnaby weiter skeptisch wirkte, hatte er hinzugefügt: »Welcher Spieler könnte schon der Versuchung widerstehen, mit einem Mann zu spielen, der Pferde so schwarz wie die tiefste Nacht fährt, die auch noch Devil und Demon heißen, und dessen Geschick beim Spiel ihm den Beinamen Lucifer eingetragen hat?« Er lachte laut auf. » Mon Dieu . Das könnte ich selbst ja nicht.«
Lucs Freude über Devil und Demon hatte nicht nachgelassen in den Monaten, seit er sie erworben hatte, und als die beiden kraftvollen Tiere den Phaeton über die schlammigen Straßen zwischen Windmere und High Tower zogen, grinste er und gratulierte sich erneut zu seiner Wahl. Als High Tower in Sicht kam, verblasste sein zufriedenes Grinsen jedoch. Unwillkürlich glitt sein Blick zu dem mit Zinnen versehenen Turm, dem der Besitz seinen Namen verdankte … und von dem sich der glücklose Edward gestürzt hatte.
Er hatte dem Turm, der an das Herrenhaus grenzte, nie sonderlich viel Aufmerksamkeit geschenkt, aber an diesem Nachmittag betrachtete er ihn mit anderen Augen. Zur Zeit der Normannen erbaut, erhob sich der steinerne Turm vier Stockwerke hoch, und während er seinen Blick über ihn wandern ließ, schüttelte er den Kopf. Er konnte nicht verhindern sich vorzustellen, wie Edward sich hinabstürzte. Sacristi, Herr im Himmel! Sich einen solchen Tod zu wählen …
Als er vor dem Turm vorbeiging, ertappte er sich dabei, wie er auf das Kopfsteinpflaster schaute, als rechnete er damit, Reste von Blutflecken zu sehen. Verärgert über sich selbst schob er seine trüben Gedanken beiseite, und nachdem er unter dem schützenden Portikus stand, reichte er seine Zügel dem
Weitere Kostenlose Bücher