Eine begehrenswerte Lady
Stallburschen, der herbeigerannt kam.
Meacham öffnete auf sein Klopfen hin die Tür. Ein breites Lächeln ließ sein faltiges Gesicht aufstrahlen.
»Mister Luc!«, begrüßte er ihn. »Mr. Ordway wollte Ihnen gerade eine Einladung zum Abendessen schicken lassen.« Aus seinen blassblauen Augen leuchtete echte Freude, als er hinzufügte: »Wir hatten einen aufregenden Vormittag, und Ihre Ankunft wird Mr. Ordways Stimmung nur weiter aufhellen.«
Damit nahm er Lucs Mantel, wischte über den Biberhut und die Lederhandschuhe und sagte:
»Gehen Sie nur – Sie kennen ja den Weg. Mr. Ordway und die anderen sind im vorderen Salon.«
Luc hob seine Augenbrauen.
»Die anderen?«
Meacham lächelte.
»Ja, aber ich werde Mr. Ordway nicht die Überraschung verderben. Gehen Sie. Gehen Sie nur und sehen Sie selbst. Mr. Ordway ist außer sich vor Freude über ihr Eintreffen.«
Die »anderen« konnten Nachbarn sein, die zu Besuch gekommen waren, aber er bezweifelte das. Mit demselben Scharfsinn, den er am Spieltisch an den Tag legte, erkannte Luc, dass er um die Identität von Silas’ Gästen bereits wusste. Seine Kiefermuskeln mahlten, und mit entschlossenen Schritten durchquerte er die Halle und begab sich zu dem vorderen Salon.
Luc trat ein und war nicht überrascht, zwei Frauen auf dem in Creme- und Rosttönen bezogenen Satinsofa am Feuer zu sehen. Seinen gebrochenen Arm in einer schwarzen Seidenschlinge, thronte Silas auf einem der beiden grünen Samtsessel mit hohen Lehnen direkt gegenüber dem Sofa. Ein Tablett mit Erfrischungen stand auf einem niedrigen Tischchen zwischen ihnen. Es war eine gemütliche Szene, die sich ihm bot, die liebende Verwandtschaft am Feuer vereint, aber Lucs Blick war hart und abschätzend, als er die Frauen studierte.
Eine der beiden war eine gut aussehende Frau mit einer Junofigur und rotem Haar, ungefähr Anfang dreißig. Luc nahm an, dass es sich bei ihr um die ältere Nichte Mrs. Easley handelte. Und nach einer flüchtigen Musterung glitt sein Blick weiter zu der anderen Frau, die direkt neben ihr saß.
Gillian Dashwood war nicht das, was er erwartet hatte. Eine braunäugige Waldelfe, das war sein erster Gedanke. Sie war klein und zierlich und hatte trotz der straff nach hinten frisierten und zu einem der strengsten Knoten, den er je gesehen hatte, aufgesteckten dunklen Haare eines der hübschesten Gesichter, das er je gesehen hatte. Die Frisur betonte ihre katzenartigen Augen mit den dichten schwarzen Wimpern, die gerade kleine Nase und das erstaunlich feste Kinn. Starrsinnig, entschied er mit Blick auf dieses Kinn. Wenn ihre Kinnpartie auf Sturheit hinwies, dann sprach dieser volle rosige Mund hingegen von … Leidenschaft, befand Luc, und in ihm regte sich etwas, und ein gewisser Teil seiner Anatomie rührte sich. Ein entzückendes kleines Ding, entschied er, das nicht im Geringsten wie eine Mörderin aussah – was sie nur umso gefährlicher machte.
»Luc!«, rief Silas erfreut und riss Luc aus seiner Betrachtung von Mrs. Dashwood. »Was für ein glücklicher Zufall, dass Sie heute Nachmittag zu Besuch kommen.« Mit einem Lächeln fügte er hinzu, als Luc zu ihm trat: »Ich wollte gerade jemanden mit einer Einladung zum Abendessen zu Ihnen schicken.«
Das Lächeln seines älteren Freundes erwidernd, sagte Luc:
»Das hat mir Meacham schon mitgeteilt.«
»Er hat mir aber nicht meine Überraschung verdorben, oder?«, erkundigte sich Silas besorgt.
Luc schüttelte den Kopf.
»Nicht wenn Sie meinen, dass er mir die Namen Ihrer reizenden Gäste verraten hätte«, erwiderte er mit einem Lächeln in Richtung der beiden Damen.
»Ausgezeichnet! Und jetzt, bevor mir jemand doch noch die Überraschung ruiniert, lassen Sie mich Ihnen meine beiden Nichten vorstellen: Mrs. Sophia Easley und Mrs. Gillian Dashwood.« Seine Zuneigung war unverkennbar, als er hinzufügte: »Meine Lieben, das hier ist mein guter Freund Luc Joslyn.«
Luc verneigte sich vor den beiden Frauen und begrüßte sie höflich. Mit sardonischem Vergnügen lächelte er und bemerkte, dass Mrs. Dashwood nicht entzückter war, ihn kennenzulernen, als er sie, das zeigte ihre kühle Erwiderung seines Grußes. Nachdem die Vorstellung beendet war, lächelte Silas strahlend.
»Sie sind zu einem ausgedehnten Besuch gekommen. Ist das nicht großartig?«
Kapitel 3
Gillian fasste gegen Luc Joslyn auf den ersten Blick eine heftige Abneigung – und sie war nicht im Mindesten von seiner hochgewachsenen, breitschultrigen Gestalt
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