Eine begehrenswerte Lady
haselnussbraunen Augen strafte ihr Alter Lügen. Und bis auf ein paar Locken an ihren Wangen und einem Pony über der Stirn, trug sie ihr graues Haar nach hinten frisiert. Diese Frisur betonte ihre elegant geformten Wangenknochen, die sie in ihrer Jugend zu einer wunderschönen Frau gemacht hatten, und die feinen Wangen und das wohlgeformte Kinn verhalfen ihr auch im Alter zu Attraktivität, ebenso wie diese großen, durchdringend blickenden Augen. Für eine Frau groß, ging sie immer noch so aufrecht wie eine Zwanzigjährige. Cornelias einziges Zugeständnis an ihr Alter war ihr geschnitzter Gehstock. Luc grinste. Sie konnte den, wenn es notwendig wurde, sehr geschickt einsetzen.
Luc nahm neben Cornelia Platz und fragte:
»Wo ist mein Bruder heute Morgen?« Er lächelte erst die eine, dann die andere Frau an und bemerkte halblaut:
»Dass er zwei so reizende Damen einfach sich selbst überlässt, weckt in mir Zweifel bezüglich unserer Verwandtschaft.«
Cornelia lachte leise und klopfte ihm auf den Arm.
»Das ist ein bisschen stark aufgetragen, junger Mann. Mein Spiegel lügt nicht, und ich sehe schon seit mindestens fünfzig Jahren nicht mehr reizend aus.«
Luc hob ihre faltige Hand, die auf seinem Arm ruhte. Er hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken und sagte:
»Da bin ich anderer Ansicht, Madame – Ihr Spiegel lügt, und wenn es nicht einen schrecklichen Skandal entfesseln würde, würde ich Sie ohne viel Federlesens von hier entführen.«
Sichtlich erfreut erwiderte Cornelia:
»Und wenn ich fünfzig Jahre jünger wäre, würde ich das vielleicht sogar zulassen.«
Luc grinste sie an und antwortete ihr:
»Madame, Sie könnten mich nicht davon abhalten.«
Emily räusperte sich. Sie bedachte Luc mit einem spöttischen Blick und sagte:
»Wenn du damit fertig bist, mit meiner Tante zu flirten, würde es dich vielleicht interessieren zu erfahren, wohin dein Bruder gegangen ist.«
»Ah, oui . Danach habe ich gefragt, oder?«
»Er ist mit Worley fort, um sich eine alte Scheune anzusehen, die auf dem Land steht, das Bauer Calkin gepachtet hat«, erzählte Emily. »Wenn man Calkin Glauben schenkt, hat der Sturm letzte Woche das Dach so schlimm beschädigt, dass nur ein völlig neues Dach das Gemäuer regenfest machen wird. Da Calkin als Nörgler bekannt ist, hat Barnaby beschlossen, sich selbst ein Bild von dem Zustand zu machen, bevor er die Kosten bewilligt. Es kann auch sein, dass eine einfache Ausbesserung vollauf reicht.«
Luc schaute nach draußen in den Regen, der gegen die Fensterscheiben prasselte.
»Nicht unbedingt ein Tag, den ich mir für einen Ausritt mit meinem Verwalter ausgesucht hätte.«
»Barnaby ist niemand, der sich von ein wenig schlechtem Wetter abschrecken ließe – oder einer Aufgabe, die erledigt werden muss«, bemerkte sie mit einem Lächeln.
Luc pflichtete ihr bei. Barnaby nahm seine Pflichten als Gutsherr ernst, gleichgültig, ob es um eine riesige Plantage wie in Virginia ging oder Windmere hier in England. Einen Augenblick lang fragte Luc sich, ob er selbst auch so ein guter Landbesitzer wäre, dann tat er den Gedanken mit einem Achselzucken ab. Es war viel besser, wenn er frei war und sich nicht mit Verpflichtungen und Leuten, die von ihm abhängig waren, herumschlagen musste. Er sagte sich, er mochte sein Leben, wie es war, und er war nicht für ein Leben als Gutsbesitzer gemacht – egal, ob das Gut groß oder klein war.
Doch der Gedanke nagte an ihm, dass er vielleicht nicht so schlecht darin wäre. Vom Alter von zwölf Jahren an, als er nach Green Hill in Virginia gekommen war, hatte er bei der Feldarbeit geholfen, und auf all seinen ziellosen Wanderungen war er sich nie zu schade gewesen, sich mit seiner Hände Arbeit über Wasser zu halten, wenn ihn das Kartenglück im Stich ließ. Er neidete Barnaby nicht sein Land oder sein Vermögen oder seine Ehefrau, aber ihm kam der Gedanke, dass es vielleicht doch nicht das Gefängnis wäre, das er sich immer vorgestellt hatte, wenn er sein eigenes Land und ein Heim besäße. War es möglich, dass er mit dem Alter milde wurde? Mist! Hoffentlich nicht!
Stirnrunzelnd stach er seine Gabel in das Fleisch auf seinem Teller. Emily, die seinen Gesichtsausdruck sah, fragte:
»Ist etwas nicht in Ordnung? Ist etwas geschehen?«
Luc schüttelte den Kopf.
» Non , alles bestens.« Dann kam er gleich auf den Kern seines Anliegens zu sprechen und sagte: »Leider kann ich nicht das Gleiche von meinem Freund Ordway behaupten. Jemand
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