Eine besondere Behandlung (German Edition)
unabhängigen Quellen bestätigen. Mindestens zwei, kapiert?« Damals hatte das wie übertriebener Hokuspokus geklungen. Doch Franziska hatte ihre Predigt mit so einer Schauermiene vorgetragen, dass sie sich tatsächlich in Laras Gehirn eingebrannt hatte.
»Was soll ich sagen, heute ist Tag X, Lara. Keiner von uns hätte sich auf sein Wort verlassen dürfen.« Nun lachte Franziska hysterisch auf. »Du weißt doch, dass wir alle darauf hinarbeiten in einem Monat den Beratern unserer Auftraggeber die Event- und Sicherheitsplanung für das Kleine Oktoberfest vorzulegen?«
Natürlich wusste Lara das. Sie beschäftigte sich mit nichts Anderem, um den knappen Zeitpfad einigermaßen zu halten und im Vorfeld des Oktoberfestes für mehrere IT- und Kommunikationsriesen eine Art Volksmusik-Festival auf den Wiesen auf die Beine zu stellen. Allmählich spürte sie die ersten Anflüge von Panik.
»Nun, Lara, unser Super-Über-Chef hat sich im Datum getäuscht.«
»Ein Zahlendreher?«, kombinierte Lara flüsternd.
»Kann man so sagen«, bestätigte Franziska. »Muss wohl passiert sein, als unser Boss sich in Amerika rumgetrieben hat. Irgendwie ist ihm dieses Land und seine Lesegewohnheit für Zahlen nicht gut bekommen.«
Lara wusste, worauf ihre Kollegin anspielte. Zuletzt hatte er vermeintlich das gesamte Budget des Projektes überzogen. Bis jemand im allgemeinen Chaos genauer hingeschaut und den Lesefehler bemerkt hatte. Ein deutsches Komma war kein englisches Tausenderzeichen.
»Lara, die Berater kommen morgen und werden das Konzept für das Kleine Oktoberfest sehen wollen. Der Typ hatte mich nur angerufen, weil sein Leben so armselig ist, dass er an einem Sommer-Sonntag nichts Besseres mit sich anzufangen wusste, außer sich schon mal in die Unterlagen einzuarbeiten.«
»Und was hast du ihm gesagt, Franzi?« Lara war nicht mehr im Tal der Ahnungslosen, sondern auf dem Olymp der schlechten Nachrichten.
»Na, dass er sie erst morgen erhalten kann. Weil das unsere Unternehmenspolitik so gebietet. Wir hätten da Richtlinien und so. was denn sonst?« Franziska war immer leiser geworden und schwieg nun. Na toll, jetzt lag der Schwarze Peter bei Lara.
»Wo steckt unser genialer Chef?«
»Im Funkloch.«
Beide wussten was das hieß: Er machte Urlaub und war nicht erreichbar. Vor Mittwoch rechneten sie nicht mit ihm. Also musste ihnen selbst etwas einfallen.
Lara wurde schlecht. Es war nicht so, dass die Strategie noch nicht existierte. Wirklich nicht. Im Geiste ging Lara die Agenturräume durch. Es war vielmehr so, dass die Strategie in einem Chaos aus Flipcharts, Zetteln, Ausdrucken und Post-its verborgen war und darauf wartete, freigelegt zu werden. Also, wenn Putzen nicht half, diese Hiobs-Botschaft bewirkte genau das, was sie an diesem Sonntag brauchte: Ablenkung von Ben.
»Lara?« Ihre Kollegin klang beunruhigt.
»Gut gemacht, Franzi! Ruf jeden an, den du erreichen kannst. Dies ist ein absoluter Notfall. Ich mach mich auf den Weg! Bis gleich!«
Kopfschüttelnd rief sich Lara die Daten vor Augen. 6. Juli und 7. Juni. Sie hätten es wissen müssen! Ohne Zeit zu verlieren, schnappte sich Lara ihr MacBook, stopfte sich alle Papiere, die sie zu dem Thema in ihrem Zimmer verteilt hatte, in die Tasche und hetzte los – gefühlt der einzige Mensch in München, der es bei der größten Mittagshitze noch dazu an einem heiligen Sonntag eilig hatte.
Völlig durchgeschwitzt flüchtete sich Lara fünfzehn Minuten später in die kühlen Agenturräume und bahnte sich ihren Weg in den War Room – einen fensterlosen Kerker, den ihr Chef eigens zur Strategieentwicklung eingerichtet hatte. Furchtlos sprang Lara ins Papierchaos und klemmte sich hinter einen der Arbeitsplätze, um aus dem ungeordneten Berg an Unterlagen ein vorzeigbares Pamphlet zu machen. Nach und cach trudelten weitere Kollegen, die Franziska offensichtlich erreicht hatte, ein und sie saßen nun zu fünft in einem Boot.
Brr, brr.
Fernab von Zeit und Raum tippte Lara, als sei der Teufel hinter ihr her. Sie fütterte Excel-Tabellen mit der Zahlengrundlage, verknüpfte Ergebnisse, zog daraus Schlüsse und trieb sich selbst zur Eile an, um das Kleine Oktoberfest für ihren Auftraggeber organisatorisch und finanziell auf die Beine zu stellen.
Brr, brr.
»Willst du nicht rangehen?« Dirk schaute zum Handy und zu Lara, die sich nicht ablenken ließ. »Lara?!«
»Moment«, murmelte sie und tippte weiter.
»Lara, mach doch mal nen Pause, dein Handy!« Dirk
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