Eine besondere Herzensangelegenheit
wieder runter.«
Leider war ich nicht besonders gut in Selbsthypnose. Meine Bedenken wegen der beiden letzten Sätze nahmen immer konkretere Gestalt an.
Trauern! Das sagt man doch nicht, wenn man sich nur trennen will , ätzte eine innere Stimme.
Ich sprang auf, ging in meine Wohnung und begann, unruhig im Zimmer herumzulaufen. Das Buch, auf das ich mich seit der Fahrt in der S-Bahn so gefreut hatte, war plötzlich vollkommen uninteressant geworden.
Eigentlich konnte es mir ja ganz egal sein, was mit der Frau passierte, die das geschrieben hatte, sagte ich mir. Ich kannte sie nicht und war ganz bestimmt nicht für sie verantwortlich, nur weil ich zufällig auf diese Seite gestoßen war. Es musste doch noch andere Menschen geben, Freunde oder Verwandte, die sich um sie kümmern müssten.
Aber mein Gewissen war anderer Meinung. Und diesmal flüsterte es nicht, es brüllte mich regelrecht an.
Vielleicht bist du die Einzige, die von diesem Plan weiß. Du musst etwas tun!
Aber was?
So einfach die Frage war, so schwierig war sie zu beantworten.
Nur eines wusste ich genau. Ich musste es irgendwie schaffen, mit der Unbekannten in Kontakt zu treten, uns zwar nicht erst, wenn ich dazu die Hilfe eines übersinnlich veranlagten Mediums benötigte.
Das Problem war nur, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich das anstellen sollte. Einen Augenblick lang zog ich in Erwägung, einfach die Polizei anzurufen und den Sachverhalt zu schildern, aber dann schüttelte ich den Kopf und verwarf den Gedanken wieder. Die Beamten würden mich bestenfalls für völlig hysterisch halten. Und selbst wenn sie mir glaubten, würden auch sie die Identität der Schreiberin kaum rechtzeitig feststellen können.
Die nächste Idee, die mir in den Sinn kam, war ein Aufruf über einen lokalen Radiosender. Doch auch das schien mir kaum erfolgversprechend zu sein. Ich wusste, dass es genug durchgeknallte Leute gab, die etwas über sich in den Medien hören, sehen oder lesen wollten, sodass diese geradezu mit absurden Geschichten überschüttet wurden. Und selbst wenn ich einen Redakteur dazu bringen konnte, die Story zu bringen, würde die Schreiberin wohl kaum gemütlich vor dem Radio sitzen, während sie plante, ihrem Leben ein Ende zu setzen.
Außerdem, was hätte ich ihr wohl mitteilen sollen? Hey, dein Typ ist ein absoluter Idiot und es nicht wert, dass du dich seinetwegen vom Hochhaus stürzt. Also Kopf hoch und weitermachen? Ja klar, das half bestimmt.
Also blieb wohl nur eine einzige Möglichkeit übrig. Ich musste versuchen, auf demselben Weg Kontakt zu ihr aufzunehmen, auf dem ich an die Tagebuchseite gekommen war. Und das bedeutete, dass ich eine Woche lang gezwungen sein würde, untätig abzuwarten.
Kapitel 3
Am folgenden Freitag bekam ich endlich die Gelegenheit, meinen Plan in die Tat umzusetzen.
Das Wochenende und die darauffolgenden Tage waren für mich eine einzige Qual gewesen. Bei jeder Polizeisirene war ich aufgeschreckt und hatte daran denken müssen, dass sie der unbekannten Schreiberin gelten könnte, die irgendjemand tot in ihrer Wohnung oder wo auch immer entdeckt hatte.
Ich war fasziniert gewesen, wie viele Möglichkeiten mir selbst einfielen, falls ich meinem Leben mal ein Ende setzen wollte. Leider waren mir dabei aber auch sofort die Bilder vor meinem inneren Auge erschienen, in welchem Zustand man mich auffinden würde. Es war nicht gerade appetitanregend.
Irgendwann hatte ich mir geschworen, dass ich meine Fernsehgewohnheiten dringend umstellen musste. Zu viele Krimis und Thriller waren eindeutig nicht gut für mich. Vielleicht sollte ich es lieber mit Liebesfilmen versuchen – obwohl, das war auch nicht wirklich mein Metier. Blieben wohl nur noch Komödien und Dokumentationen übrig.
Am schlimmsten war es immer morgens beim Frühstück gewesen. Da hatte ich jedes Mal einen bangen Blick in den Lokalteil der Zeitung geworfen. Ich war jeden einzelnen Artikel durchgegangen, auch noch den unbedeutendsten Zweizeiler, bis ich erleichtert festgestellt hatte, dass nichts über den Suizid einer Frau darin stand.
Kurz gesagt: Ich war ein absolutes Nervenbündel gewesen und damit wiederum meinen Kollegen gehörig auf die Nerven gegangen.
Zum Glück hatte mein Chef mich die ganze Woche über mit dem Einsatz seiner geliebten Scherzartikel verschont. Ob er von sich aus zur Besinnung gekommen war, oder ob meine Drohung, beim nächsten Einsatz in meiner Anwesenheit sofort zu kündigen und die Firma nie wieder zu
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