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Eine betoerende Schoenheit

Eine betoerende Schoenheit

Titel: Eine betoerende Schoenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherry Thomas
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Scherben – und sein Herz mit ihnen.
    „Sie könnte noch in der Schlange der von Bord Gehenden stehen, Sir“, sagte der Steward. „Soll ich nachsehen?“
    Die Ausschiffung. Natürlich, die Rhodesia hatte nicht angelegt. Sie befand sich im Hafen. Die Passagiere und ihr Gepäck mussten darauf warten, mit Beibooten an Land gebracht zu werden.
    Christian wusch sich die Seife vom Gesicht, warf sich einen Gehrock über, griff nach seinem Hut und eilte hinunter zum Hauptdeck. Der Himmel war bleiern. Der Atlantik war bleiern. Selbst das sonst so grüne, wunderschöne Irland war nur ein weiterer Flecken ungebrochener Ödnis.
    Er bahnte sich einen Weg durch die Menge und suchte verzweifelt nach der wohlbekannten Silhouette. Alle Schiffsreisenden schienen sich in der Nähe der Beiboote versammelt zu haben. Alte Damen gingen langsam in Paaren umher. Kinder wurden hochgehoben, damit sie über die Reling schauen konnten. Junge Amerikaner plauderten über den Buckingham Palace und das Wohnhaus Shakespeares, während sie einem Boot winkten, das in Richtung Rhodesia gerudert wurde.
    Endlich sah er sie an der Reling. Erleichterung machte sich in ihm breit. Die Menge teilte sich, als spüre sie, wie eilig er es hatte, und die Menschen in ihrer Nähe traten aus dem Weg, um ihm Platz zu machen. Als er bei ihr ankam, würdigte sie ihn keines Blickes. Sie starrte weiter auf die Wellen, die gegen den Schiffsrumpf klatschten.
    „Warum gehst du?“
    „Ich bin am Ziel.“
    „Liegt es daran, dass du glaubst, dass ich Mrs Anderswo immer noch liebe?“
    „Nein.“
    „Sag es mir ins Gesicht.“
    Sie drehte den Kopf in seine Richtung. Ihr Griff um die Reling wurde fester, als überraschte sie sein Aufzug. Früher am Tag hatte er noch geschwitzt. Aber wie er nun unrasiert auf dem offenen Deck stand, war die Kälte gnadenlos.
    „Nein“, wiederholte sie. „Du hast immer gesagt, ich kann jederzeit gehen. Nun gehe ich. Ich muss mich nicht erklären.“
    Er fröstelte. Er wusste nicht, ob es vor Kälte oder wegen ihrer Worte war. „Bedeutet es dir nichts, dass ich dich liebe?“
    „Du liebst mich nicht. Du hast dich in eine Vorstellung verliebt, die deiner eigenen Fantasie entsprungen ist.“
    „Das ist nicht wahr. Ich muss dein Gesicht nicht sehen, um dich zu kennen.“
    „Ich bin eine Heuchlerin, erinnerst du dich? Es gibt keine Baronin von Seidlitz-Hardenberg.“
    „Glaubst du, das habe ich vergessen? Ich brauche keine Baronin. Wer du bist, wie du bist, ist mir mehr als genug.“
    Ihr Lachen klang bitter. „Lass uns darüber nicht streiten.“
    Er legte eine Hand auf ihren Arm. „Das werde ich nicht, wenn du bleibst.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Mein Gepäck ist schon auf dem Dock.“
    „Es kann ohne Weiteres zurück an Bord gebracht werden.“
    Sie schüttelte den Kopf energischer als zuvor. „Lass es. Manche Dinge sind großartig, gerade weil sie kurz sind.“
    „Andere Dinge aber sind großartig, weil sie selten sind und wunderschön – und man sollte ihnen die Chance geben, anzudauern.“
    Sie schwieg. Sein Herz raste. Dann gab sie ihm durch den Schleier einen Kuss auf die Wange. „Auf Wiedersehen.“
    Es war das Ende der Welt. Wo einst Städte voller Hoffnung gestanden hatten, deren Kuppeln golden in der Sonne glänzten, blieb nichts als Trümmer. Bestürzung und Verzweiflung nahmen nach und nach von ihm Besitz. Chaos herrschte. Ihm war kalt, so kalt, und der Wind strich eisig über seine Haut.
    Doch ebenso plötzlich meldete sich der Optimismus, den er in seiner Jugend als selbstverständlich erachtet hatte, in ihm zurück. Vielleicht war es auch nur der Verstand eines Spielers, der alle Spielzüge durchdacht und Möglichkeiten in Betracht gezogen hatte, als er die Karten auf den Tisch legte.
    „Heirate mich“, sagte er.
    Sie taumelte. Sie hatte sich eine Liebeserklärung und nun auch noch einen Heiratsantrag erschwindelt. Er würde sie so sehr hassen, dass das Schicksal von Sodom und Gomorrha im Vergleich wie ein Märchen wirken würde.
    Was für eine Ironie – denn das war genau das, was sie anfangs angestrebt hatte.
    „Ich kann nicht“, sagte sie schwach. „Wenn wir heiraten, würde es nicht als gültig anerkannt werden.“
    „Lass uns wieder zusammenkommen und darüber sprechen, was wir tun müssen, damit es gültig ist.“
    Es hatte sie schockiert, ihn unrasiert, ohne seinen Kragen, seine Halsbinde, seine Weste und seinen Mantel zu sehen, als sie sich zu ihm umgedreht hatte, und allenfalls seine Aufregung

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