Eine betoerende Schoenheit
reiche Frau. Ich vermute, Sie sind nicht hier, um Geld von mir zu verlangen.“
„Nein.“
„Was wollen Sie?“
„Ich … ich hatte gehofft, Sie würden mir einen Rat geben.“
„Wieso glauben Sie, ich könnte Ihnen etwas raten? Sehe ich aus, als hätte ich es mir zur Gewohnheit gemacht, regelmäßig Frauen zu schwängern?“
„Nein, natürlich nicht.“
„Sagten Sie nicht, Sie seien unfruchtbar?“
Glaubte er, sie habe ihn bewusst in die Irre geführt, um sich in diese unhaltbare Situation zu manövrieren? „Doch.“
„Woher weiß ich, dass Sie die Wahrheit sagen?“
„Was meine frühere Unfruchtbarkeit betrifft? Ich kann Ihnen die Namen der Ärzte geben, die mich untersuchten.“
„Nein, hinsichtlich Ihres derzeitigen Gesundheitszustandes.“
Er meinte ihre Schwangerschaft. Sie riss den Kopf herum. „Glauben Sie etwa, ich würde in diesem Punkt lügen?“
Sie bedauerte es sofort. Das war genau das Falsche gewesen.
Er nutzte ihren Fehler sofort aus. „Sie müssen zugeben, Mrs Easterbrook, dass Sie über erstaunlich viele Dinge Lügen erzählen.“
Sie holte tief Luft. „Ich gebe zu, dass ich kaum erwarten darf, Ihnen glaubwürdig zu erscheinen. Aber welchen Vorteil hätte ich davon, eine Schwangerschaft vorzutäuschen? Das ist in höchstem Maße unangenehm.“
„Oh, ich bin sicher, es hat keinerlei Vorteil, mit meinem Kind schwanger zu sein.“
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass das Gespräch sich in ausgerechnet diese Richtung bewegen würde. War es wirklich so vorteilhaft, als unverheiratete Frau das Kind des Duke of Lexington zu erwarten?
Oder verschloss er die Augen vor der Wahrheit, wie sie es getan hatte? Die Schwangerschaft als Tatsache anzuerkennen bedeutete, dass er diese Affäre nicht einfach vergessen konnte, dass sie in absehbarer Zukunft und darüber hinaus für sein gesamtes Leben Bedeutung haben würde.
„Gibt es nicht ein wissenschaftliches Prinzip, nach dem die einfachste Erklärung meist die richtige ist?“
„Wie lautet denn Ihre einfache Erklärung, Mrs Easterbrook?“
„Dass ich dumm war und die Möglichkeit einer Empfängnis nicht in Betracht gezogen habe.“
Endlich drehte er sich um. Ihr Herz schmerzte. Er war noch dünner geworden, seine Wangenknochen zeichneten sich scharf ab.
„Was hatten Sie denn in Betracht gezogen?“
„Bitte?“
„Eine Frau wie Sie bedeckt nicht ohne Grund ihr Gesicht. Was wollten Sie erreichen?“
Sie wollte ihm ihr gesamtes Leben bis zu seinem Vortrag in Harvard erklären, den Strauß, der versehentlich in ihrem Zimmer gelandet war, und ihren wutentbrannten, leicht wirren Plan. Sie wollte ihm sagen, wie er ihr gesamtes Vorhaben vereitelt und ihr Herz erobert hatte, wollte ihn wissen lassen, dass es der größte Fehler ihres Lebens gewesen war, ihm nicht in dem Augenblick alles zu gestehen, in dem sie erkannte, dass sie sich verliebt hatte.
Aber er würde ihr kein Wort glauben. Jetzt nicht und – wie ihr plötzlich klar wurde – nie mehr.
Denn er war immer dazu angehalten worden, nur Fakten zu sehen, und die unbestreitbaren Fakten lauteten, dass sie ihn unter Vorspiegelung falscher Tatsachen verführt und ihm einen Heiratsanatrag entlockt hatte, dann prompt verschwunden war und anschließend ihr Versprechen gebrochen hatte, ihn wiederzusehen, dabei aber mit ihm getanzt und gesprochen und tatenlos zugesehen hatte, wie Angst und Kummer an ihm nagten.
Er würde nicht hören wollen, dass sie sich anders entschieden hatte. Dass es ihr das Herz gebrochen hatte, ihn gehen zu lassen – und noch viel mehr das Herz brach, jetzt als verachtete Fremde vor ihm zu stehen. Diese Gefühle ließen sich nicht wissenschaftlich überprüfen, deshalb waren sie unerheblich, völlig irrelevant und bedeutungslos.
Das wusste sie schon. Sie hatte es von Anfang an gewusst. Doch die Schwangerschaft musste ihren gesunden Menschenverstand beeinträchtigt haben. Denn sie war voller Angst, aber nicht ohne einen Hoffnungsschimmer gekommen. Vielleicht konnte sie Licht in die Angelegenheit bringen, ein so helles Licht der Vernunft, dass er ihren Standpunkt begriff.
Wo doch ihre Liebe der irrationalste und unerklärlichste Aspekt der gesamten Geschichte war.
„Haben Sie etwas zu Ihrer Verteidigung zu sagen?“, fragte er.
Die Kälte seiner Stimme durchbohrte sie wie ein spitzes Messer. Sie hatte seine Verachtung gefürchtet. Sie hätte nie gedacht, dass sie sie dieser Gleichgültigkeit vorgezogen hätte. Verachtung war ein leidenschaftliches
Weitere Kostenlose Bücher