Eine betoerende Schoenheit
die Dowager Duchess und stellte ihre Teetasse ab.
„Soll ich ihn von Ihnen grüßen, wenn ich ihn sehe, oder soll ich unser Treffen besser für mich behalten?“
„Sie können ihn grüßen. Er muss wissen, dass ich nach solchen Nachrichten nicht untätig bleiben kann.“
„Natürlich. Solche Dinge tun wir nun mal für die, die wir lieben.“
Sie erhoben sich und schüttelten einander die Hand.
„Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf“, sagte die Dowager Duchess . „Wenn Sie glauben, der Herzog habe ein falsches Bild von Ihnen, müssen Sie ihn das wissen lassen. Er kann ziemlich Respekt einflößend sein, ist aber nie engstirnig und nimmt es einem nicht übel, wenn man ihn korrigiert.“
Die Baronin hätte nicht gezögert. Venetia war nicht sicher, ob sie solchen Mut besaß. Aber sie nickte. „Ich werde daran denken, Euer Gnaden.“
Es gab einen Grund, warum die Träume Pubertierender üblicherweise auf die Pubertät beschränkt blieben: Sie waren überspannt und offen gestanden manchmal auch gefährlich.
Sie – oder vielmehr seine Besessenheit von ihr – war sein Pubertätstraum gewesen. Was machte es schon, dass sie bereits verheiratet war? In Fantasien war ein Ehemann absolut kein Hindernis. Er hatte erst begonnen, den Traum aufzugeben, nachdem seine schicksalhafte Unterhaltung mit Anthony Townsend stattgefunden hatte. Aber auch dann nicht ganz, nicht sofort.
Die Ereignisse, von denen er an jenem Tag in der Harvard University berichtet hatte, waren die Phasen seiner eigenen Entzauberung. Ungläubig hatte er Townsend gelauscht, zornig von dessen vorzeitigem Tod gehört, desillusioniert auf ihre sehr gewinnbringende zweite Ehe reagiert.
Aber sie ertrug es nicht, dass einer unter zehntausend Männern es wagte, sie zu kritisieren. Nein, für diesen Fehltritt hatte er mit seinem Herzen bezahlen müssen.
Und nun endlich, so spät, war sie die Seine geworden, vor Gott und den Menschen.
Das Kostbarste in seinem Besitz saß ihm in seinem privaten Waggon gegenüber, unvorstellbar und unerschütterlich anmutig. Er konnte sich nicht vorstellen, dass er sie umarmt hatte, berührt und seinen Körper mit ihrem vereint hatte. Ihre Schönheit war atemberaubend, unwirklich, als ob sie nicht wirklich aus Fleisch und Blut wäre, sondern die Kreation eines Künstlers, geboren in einem Anfall fiebriger Ekstase.
Eine Schönheit mit eigener Gravitation, die das Licht brach. Sonnenlicht fiel nur auf einer Seite des Abteils ein, doch sie war definitiv ringsum in Licht getaucht, eine gleichmäßige, sanfte Beleuchtung, wie sie ein Maler in seinem Atelier schaffen mochte, wenn er einen Engel abzubilden gedachte – oder eine Heilige mit ihrem eigenen Heiligenschein.
Sie hatte für eine Weile so still dagesessen wie ein Anatomiemodell. Keine Rüsche ihres weiß-gold gestreiften Kleides hatte sich bewegt. Doch jetzt legte sie die Hände auf den Tisch, der sie trennte, und öffnete den ersten Knopf ihres Handschuhs. Eine unverhohlen schamlose Geste. Oder nicht? Sie waren nicht in der Öffentlichkeit, und er, die einzige andere Person im privaten Waggon, war ihr Ehemann.
Ihr Ehemann. Wie ihre Schönheit schienen die Worte surreal.
Langsam, provozierend, öffnete sie den Handschuh am Handgelenk und entblößte ein Hautdreieck – Haut, die er auf der Rhodesia nach Belieben hatte streicheln können. Dann zog sie mit unendlicher Langsamkeit an jedem einzelnen Finger des Handschuhs und streifte sich das Kalbsleder von der Hand. Danach zog sie sich den anderen Handschuh aus.
Es wäre nur gerecht gewesen, hätte sie irgendwo einen körperlichen Makel gehabt. Dicke kurze Finger wären ein guter Anfang gewesen. Knotige Knöchel waren nicht zu viel verlangt. Aber nein, ihre Hände waren schlank, die Finger lang und wohlgeformt.
Selbst ihre Knöchel hatten eine schöne Form.
Sie hob diese nackten, ansprechenden Hände und löste die Bänder unter ihrem Kinn, schüttelte leicht den Kopf, nachdem sie den Hut abgenommen hatte. Plötzlich wurde es ihm zu viel. Wieder brachte sie ihn um den Verstand, nahm ihm den Atem, raubte ihm das Denkvermögen, bis er nur noch wollen konnte. Ihre Anwesenheit zerriss ihn. Und er würde nur wieder eins werden, wenn er sie mit Leib und Seele besaß.
Im nächsten Augenblick begriff er, was ihm widerfahren war, aber erst, nachdem sie sein Starren bemerkt hatte.
Ich war ein Jahrzehnt lang völlig von ihrem Liebreiz gefesselt. Ich habe einen Artikel über die evolutionäre Bedeutung der Schönheit
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