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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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dass er von ihm eine ähnlich aufopfernde Lebensweise erwartete, wurde John zunehmende Schuldgefühle nicht los, wenn er abends um acht zurück ins Hotel wollte und McCaine immer noch da war. Im Lauf der Zeit begann er sich zu fragen, ob McCaine überhaupt je nach Hause ging.
    So reihten sich die Tage, so verging die Zeit. Frankreich zündete trotz internationaler Proteste eine Atombombe unter dem Mururoa-Atoll, der ehemalige Footballstar O. J. Simpson wurde nach einem zur Sensation aufgebauschten Gerichtsverfahren vom Vorwurf des Mordes freigesprochen und der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin während einer Friedenskundgebung erschossen. Immer öfter bot London sich morgens in rauchgrauen Nebel gehüllt dar, schon lange hatte niemand mehr mit Mikrofonen und Blitzlichtern vor dem Hotel auf John Fontanelli gewartet, als der Tag kam, an dem es richtig losging.
     
    »Hier sind sie. Die ersten Empfehlungen der Analysten.«
    »Ah«, machte John.
    »Die wir«, sagte McCaine und ließ den Papierstapel auf den Tisch fallen, »zunächst ignorieren werden.«
    Der Knall, mit dem die Papiere auf der bestürzend makellosen Oberfläche des Konferenztisches landeten, hallte einen Moment nach. Es war so still hier oben in dem riesigen Raum, als existiere die Welt draußen nicht wirklich.
    »Um stattdessen… was zu tun?«, fragte John, weil er spürte, dass McCaine auf genau diese Frage wartete.
    »Unsere erste Firmenübernahme«, erklärte McCaine, »muss ein Paukenschlag sein. Ein richtiger Hammer. Etwas, das niemand ignorieren kann. Unser erster Schlag muss die ganze Welt ins Mark treffen.«
    John betrachtete den Anblick, den die Papiere boten. Die weite Fläche des Konferenztisches schimmerte im Licht der morgendlichen Sonne wie ein schwarzer See bei Windstille, und der zerfledderte Stapel war eine felsige Insel darin. »Sie meinen, wir sollten eine richtig große Firma kaufen.«
    »Ja, sicher. Aber das allein reicht nicht. Sie muss auch etwas symbolisieren. Sie muss mehr sein als nur eine Firma. Sie muss eine Institution sein. Und es muss eine amerikanische Firma sein. Wir müssen der führenden Wirtschaftsmacht der Welt ein Filetstück wegnehmen, in einem einzigen kühnen Handstreich.«
    John furchte die Stirn, ließ die Firmennamen Revue passieren, die er kannte. Mehr oder weniger waren das alles Institutionen, oder? Es schien geradezu das Wesen einer erfolgreichen Firma zu sein, zu so etwas wie einer Institution zu werden. »Sie fragen aber jetzt nicht mich, welche wir nehmen sollen, oder? Sie haben schon eine im Visier.«
    McCaine nickte unmerklich, legte die Hand besitzergreifend auf den schwarzen, windstillen See. »Sie als Amerikaner – welchen Namen verbinden Sie mit Reichtum?«
    »Bill Gates.«
    »Alright, den meine ich jetzt nicht. Ich denke an jemanden aus dem vorigen Jahrhundert.«
    John musste etwas nachdenken, ehe er darauf kam. »Rockefeller?«
    »Genau. John D. Rockefeller. Ist Ihnen auch ein Begriff, wie seine Firma hieß?«
    »Warten Sie – Standard Oil?« War in der Schule davon je die Rede gewesen? Er konnte sich nicht erinnern. In einem der Bücher hatte er darüber gelesen, eher zufällig. Und das Fernsehen hatte einmal etwas gebracht, vor Jahren. »Ja, genau. Die Standard Oil Corporation. Das war die Geschichte. Rockefeller hatte ein Monopol auf dem Ölmarkt, bis die Regierung ein Anti-Trust-Gesetz erließ und sein Konzern zerschlagen wurde.«
    »Das ist die volkstümliche Version. Die wirkliche Geschichte geht so: John D. Rockefeller wurde 1892 in Ohio nach dem Anti-Trust-Gesetz angeklagt, entging aber der Entscheidung des Gerichts, indem er Standard Oil zerlegte und den Besitz auf Firmen in anderen Ländern verteilte. Firmen, die nach wie vor von ihm und seinem Stab kontrolliert wurden. Das Gerichtsverfahren brachte ihn dazu, den ersten multinationalen Konzern zu gründen.«
    »Na schön. Und? Trotzdem gibt es Standard Oil nicht mehr.« »Glauben Sie? Die Standard Oil Company of New York heißt seit 1966 Mobil Oil. Die Standard Oils von Indiana, Nebraska und Kansas haben zwischen 1939 und 1948 fusioniert und heißen seit 1985 Amoco. Die Standard Oil Companies von Kalifornien und Kentucky gingen 1961 zusammen und firmieren seit 1984 unter Chevron. Und der größte Brocken von allen ist die ehemalige Holding, die Standard Oil of New Jersey, die ihren Namen 1972 änderte in Exxon Corporation.« John starrte ihn an und spürte, dass sein Unterkiefer sich selbstständig machen wollte. »Sie

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