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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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zurückliegenden drei Monaten waren zwei Topacts, eine Popsängerin aus Israel und eine englische Band, zu EMI Electrola gewechselt, was den Quartalsertrag empfindlich in die roten Zahlen hatte rutschen lassen. Entsprechend viel Prügel hatte die kompakte Frau mit den rauchgrauen Haaren einstecken müssen.
    Zurück in Brüssel berief sie sofort eine ähnliche Versammlung ein, um den Chefs der verschiedenen Sparten und Labels mit ganz ähnlichen Worten den Ernst der Lage klarzumachen.
    »Aber es geht nicht ohne Aufbauarbeit«, wandte der Leiter des spanischen Tochterunternehmens ein. »Wir müssen in die Künstler investieren. Es dauert seine Zeit, bis ein Künstler sich am Markt durchsetzt, und wenn wir ihnen diese Zeit nicht geben, werden wir irgendwann keine Künstler mehr haben.«
    »Wenn wir unrentabel arbeiten, werden die Künstler irgendwann keine Plattenfirma mehr haben«, versetzte Gladys Vane, die fest entschlossen war, sich nicht noch einmal von dem ungeschlachten Briten zur Schnecke machen zu lassen. »Es bleibt dabei. Was sich nicht rentiert, fliegt raus.«
    Die Label Manager duckten sich und blätterten emsig in ihren Listen. Der Leiter von Cascata Records , einer in Milano ansässigen Plattenfirma, die seit Mitte des Jahres ebenfalls zu Polytone gehörte, betrachtete nachdenklich die Verkaufszahlen einer CD mit dem Titel Wasted Future.
     
    »Wir erleben einen Rückschlag«, sagte McCaine. »Das ist nicht schön, aber so läuft es im Leben eben manchmal. Rückschläge sind unvermeidlich, und sie scheiden die Knaben von den Männern.«
    John nickte nur. Sie waren auf dem Weg zum Flughafen, doch ihre gepanzerte Limousine steckte im Feierabendverkehr fest. Wenn man in Fahrtrichtung blickte, sah es aus, als seien Lastwagen und rote doppelstöckige Omnibusse ineinander verkeilt. Es nieselte, und entlang der Straße wogten anthrazitgraue Regenschirme.
    »Gerade jetzt müssen wir unsere Ziele im Auge behalten, sonst gehen wir im Kleinkrieg unter. Und eines unserer nächsten Ziele ist der Internationale Währungsfond.«
    Das ist der Vorteil eines eigenen Flugzeugs: Man muss sich keine Sorgen machen, dass man seinen Flug verpassen könnte. John durchdachte das, was McCaine gerade gesagt hatte, noch einmal und runzelte die Stirn. »Der IWF?«, wiederholte er. Er hatte darüber gelesen. Der International Monetary Fund war, ähnlich den Vereinten Nationen, eine übernationale Institution, die sicherstellen sollte, dass das weltweite Finanzsystem funktionierte, Währungen ineinander umtauschbar blieben und so weiter. Die Beschreibung hatte sterbenslangweilig geklungen. »Das müssen Sie mir erklären«, sagte John. »Was das mit uns zu tun haben soll.«
    »Der IWF hat im Augenblick an die 180 Mitglieder. Jedes Mitgliedsland muss eine bestimmte Einlage leisten, die so genannte Quote, und zwar umso mehr, je reicher das Land ist. Die Quote legt aber auch das Stimmrecht fest, das heißt, wer am meisten einzahlt, hat am meisten zu sagen. Momentan sind das die USA mit achtzehn Prozent der Stimmen.« McCaine streckte den Zeigefinger aus und umfasste ihn mit der anderen Hand, als müsse er etwas an den Fingern abzählen. »Das ist der erste Punkt, der uns ins Konzept passt: Reichtum ist Einfluss. Offen, unverhüllt, festgelegt in der Satzung.«
    »Einfluss, na ja«, meinte John. »Fragt sich nur, worauf.«
    »Das ist der zweite Punkt, der für uns interessant ist. Der IWF kann jedem seiner Mitglieder in die Bücher schauen, darf von Regierungen verlangen, dass sie Informationen über ihre Geld-und Steuerpolitik offen legen, hat allerdings kein Weisungsrecht. Im Normalfall. Anders ist es, wenn ein Land Kredite vom IWF bekommt. Solche Kredite werden nur unter strengen Auflagen vergeben, und die Auflagen werden genauestens kontrolliert. Auf keine andere Weise kann man von außen einen derart direkten Einfluss auf die Politik eines Landes nehmen.« McCaine hielt jetzt Zeige-und Mittelfinger umfasst. »Verstehen Sie? Über den IWF können wir verhindern, dass die Schwellenländer die Umwelt kaputtmachen, indem sie anfangen, wie wild zu industrialisieren.«
    John betrachtete McCaine, als sähe er ihn zum ersten Mal. Er selbst, das musste er neidlos eingestehen, wäre nie im Leben auf eine solche Idee gekommen. »Über den IWF, ja«, nickte er. »Aber wie wollen Sie Einfluss auf den IWF nehmen?«
    McCaine zuckte mit den Schultern. »Durch gute Worte. Durch Kooperationsangebote. Oder, was meine kühnste Vision wäre, indem

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