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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Seine Stimme fühlte sich seltsam an, pelzig. »Ich bin auch immer wählen gegangen.« Er lachte freudlos auf. »John Major habe ich meine Stimme allerdings nicht gegeben.« Das Abendessen fiel ihm wieder ein. Die kühle Ablehnung, die der Premierminister an den Tag gelegt hatte. »Ich schätze, ich werde drüber wegkommen.«
    »Machen wir also weiter?«
    »Ja.«
    »Ich muss wissen, dass Sie hinter mir stehen, John.«
    John seufzte, spürte das eklige Gefühl von Verrat auf der Zunge. »Ja. Ich stehe hinter Ihnen.«
    »Danke.«
    Pause. Stille. Durch das offene Fenster hörte man die Glocke von Big Ben schlagen.
    »Und was tun wir jetzt?«, fragte John.
    McCaine stand an der Schreibtischkante, mit den Fingerspitzen der schlaff herabhängenden Hand einen leisen, unruhigen Rhythmus auf die Platte klopfend. Sein Blick wanderte in ungewisse Ferne. »Der Kampf hat begonnen«, sagte er. »Also werden wir kämpfen.«
     
    Aus aller Herren Länder kamen in den nächsten Tagen Direktoren, Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer nach London gejettet. Der Konferenzraum im obersten Stockwerk der Zentrale von Fontanelli Enterprises war zum ersten Mal so voll belegt, dass zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden mussten.
    Der oberste Boss all dieser Direktoren, Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer, John Salvatore Fontanelli, reichster Mann der Welt und designierter Retter der Zukunft, eröffnete die Versammlung mit einem kurzen, salbungsvollen Vortrag über die Bedrohung der natürlichen Lebensgrundlagen und die zentrale Rolle, die der Schutz der Umwelt in den Zielen des Konzerns spielte. Der Vortrag gipfelte in dem Satz: »Bitte denken Sie daran, dass man sich Umweltschutz leisten können muss. Von edlen Absichten allein können wir nicht leben. Nur wenn wir auf der Kostenseite unseres Unternehmens jede Verschwendung radikal bekämpfen, werden wir die Zukunft sichern.«
    Danach zog sich John in sein Büro zurück und überließ McCaine die Detailarbeit. Er war immer noch kein großer Redner. Vor dieser kleinen Ansprache war er vor lauter Lampenfieber fast nicht mehr vom Klo gekommen, die Nacht über hatte er kaum geschlafen, sondern in wilden halb wachen Träumen unentwegt seine Rede wiederholt, und nun war er so schweißgebadet, dass er duschen und sich komplett neu einkleiden musste. Und er hatte damals gelacht, als McCaine darauf bestanden hatte, dass jedes ihrer Büros über ein eigenes Bad und ein Ankleidezimmer verfügen müsse!
    »Das kommt mir ein bisschen verlogen vor, dieses Gerede über Umweltschutz«, gestand er McCaine, der einen Moment hereinkam, um Unterlagen zusammenzusuchen, transparente Folien mit Zahlen und bunten Diagrammen darauf. »Ich meine, es geht gerade doch einfach darum, mehr Geld zu verdienen.«
    McCaine sah misslaunig auf. »Sie enttäuschen mich, John. Die da drin« – er deutete mit einer abfälligen Kopfbewegung in Richtung der Tür zu der wartenden Versammlung –, »von denen erwarte ich nicht, dass sie verstehen, wie die Dinge zusammenhängen. Aber von Ihnen schon.«
    »Scheint mein Schicksal zu sein. Alle möglichen Leute erwarten alle möglichen Dinge von mir, und nie erfülle ich ihre Erwartungen.«
    »Also gut. Noch mal langsam zum Mitschreiben. Wir sind der größte Konzern der Welt, richtig? Noch jedenfalls. Wofür wir sorgen müssen, ist, dass wir es bleiben. Was nicht geschehen darf, ist, dass sich mehrere ungefähr gleich große Machtblöcke bilden. Dann hätten wir nämlich ein Patt, und es würde sich überhaupt nichts mehr durchsetzen lassen von dem, was getan werden muss.« McCaine hatte die Folien zusammengelegt und hielt sie John vor die Brust, als wolle er ihn mit der Ecke des Stapels stechen. »Ist das so schwer zu verstehen? Denken Sie langfristig, John. Die langfristigste Vision gewinnt.«
    Damit ging Malcolm McCaine zurück in den Konferenzraum, wo er die Runde der Männer musterte, die ihn anstarrten wie verschreckte Karnickel, das Mikrofon zurechtzog und sagte, was er in den folgenden Tagen noch auf mehreren ähnlichen Versammlungen sagen sollte: »Meine Herren, ich will nur drei Dinge von Ihnen. Erstens Rendite. Zweitens Rendite. Und drittens Rendite.«
     
    Eine der wenigen Frauen unter den Teilnehmern dieser als Konferenzen getarnten Züchtigungsveranstaltungen war Gladys Vane, die Geschäftsführerin von Polytone Media, einem aus dem Zusammenschluss mehrerer europäischer Schallplattenverlage hervorgegangenen Medienkonzern mit Sitz in Brüssel. In den

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