Eine Billion Dollar
wirklich so mächtig geworden? Fontanelli, meine ich.«
»Sagt man. Ich kenne mich in der Finanzwelt nicht so aus, aber hin und wieder treffe ich Jo Jenner von der Wirtschaftsredaktion – vielleicht erinnern Sie sich an den noch, immer reichlich schick gekleidet, mit so einer Fünfziger-Jahre-Brille…«
»Ja. Ich glaube, ich weiß, wen Sie meinen. Immer ein bisschen blass im Gesicht.«
»Er wird jedes Mal noch blasser, wenn die Rede auf Fontanelli kommt. Er sagt, man kann sich überhaupt nicht vorstellen, was für ein Gigant da entstanden ist. Die Billion Dollar, meint er, war von Anfang an wie ein Haufen Sprengstoff, genug, um einen Wohnblock in die Luft zu jagen. Aber Fontanelli hat den Sprengstoff in kleine Päckchen aufgeteilt, an strategisch wichtigen Punkten platziert, sauber verkabelt und verdrahtet. Er kann jetzt auf Knopfdruck die ganze Welt hochgehen lassen, sinnbildlich gesprochen.«
»Wir müssen endlich etwas tun«, sagte John und schob das Tablett von sich. Gegrilltes Putenfleisch mit Salaten, aber er hatte kaum mehr als einen Bissen heruntergebracht. Der Teller würde abgeräumt und gespült werden, die Reinigungsmittel mit den gebundenen Fetten würden sich ins Abwasser ergießen. Alles würde in der nächsten Kläranlage landen, und ab da war sich John nicht mehr über die Zusammenhänge im Klaren. Seit dem Gespräch mit Professor Collins jedenfalls verschlug ihm der Konferenzraum definitiv den Appetit.
»Grundsätzlich haben Sie Recht«, nickte McCaine kauend. »Aber wir müssen erst wissen, was.«
Collins war wieder abgereist, mit einem Arbeitsplan von gigantischer Größe im Gepäck und der Zusage von genug Geld, um die Zahl der Computer zu verzehnfachen, die Tag und Nacht arbeiten würden, um Milliarden von Simulationen durchzurechnen. Obwohl alle arbeiten würden bis zur Erschöpfung, war frühestens bis in drei Monaten mit ersten Ergebnissen zu rechnen, einer ersten Strategie, einer Handlungsempfehlung.
John schlief schlecht seit jenem Abend, und tagsüber wurde er ein Gefühl fahriger Getriebenheit nie richtig los. Er brachte kaum noch die Muße auf, die Zeitungen zu lesen, und abends war er manchmal versucht, sich einfach zu betrinken. »Seit zwei Jahren«, sagte er und knetete seine Finger dabei, »tun wir nichts anderes, als Firmen zu kaufen. Aber alles, was wir bisher erreicht haben, ist, dass ein paar tausend Tonnen Formulare auf Recyclingpapier gedruckt werden anstatt auf normales. Das ist aber nicht, worum es geht, oder?«
McCaine nickte. »Stimmt. Das ist nicht, worum es geht.«
»Die Zukunft der Menschheit. Darum geht es, oder? Aber wenn man den Professor so hört, dann ist es aus damit. Dann gibt es keine Zukunft. Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu Ende geht. Oder jedenfalls zu einer Katastrophe kommt.«
»Wenn nichts geschieht.«
»Aber was soll geschehen?«
»Das errechnet er für uns.«
»Und dann? Werden wir es geschehen lassen können? Haben wir denn die Macht dazu? Haben wir überhaupt Macht? Können wir tatsächlich etwas bewirken? Sagen Sie es mir.«
McCaine hielt seine Gabel vor sich hin und betrachtete die Spitzen ihrer Zinken, als frage er sich zum ersten Mal im Leben, was es damit auf sich habe. »Wir haben Macht«, sagte er leise. »Selbstverständlich haben wir Macht.«
»Aber welche Art von Macht? Marschieren Armeen, wenn wir es wollen? Können wir Leute verhaften lassen? Wir können Leute entlassen, das ist alles.«
»Das wollen Sie nicht im Ernst. Dass Armeen marschieren, meine ich.«
»Ich will nur wissen, welche Art von Einfluss wir überhaupt haben.«
»Verstehe.« McCaine widmete sich wieder seinem Teller, säbelte ein Stück Grillfleisch ab, schob es zwischen die Zähne, zermahlte es zwischen seinen Kiefern. »Verstehe«, sagte er dann noch einmal. »Na gut. Es kann nicht schaden, unsere Krallen zu zeigen. Wir werden das durchexerzieren.«
»Der gesamte asiatische Raum hat ein Bevölkerungsproblem«, erklärte McCaine vor der großen Weltkarte, die eine Wand seines Büros zierte. »China tut etwas dagegen, erstaunlich wirkungsvoll sogar, Indien versucht zumindest etwas zu tun, wenn auch bisher ohne vergleichbare Erfolge. Absolut trostlos sieht es auf den Philippinen aus. Hier herrscht noch die römisch-katholische Kirche, praktisch jede Verhütungsmethode gilt als Sünde oder ist verboten, der philippinische machismo verlangt von den Männern, möglichst viele Söhne zu zeugen, also vermehren sich die Leute, dass es einem
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